Römer an Godwi

[210] Ich eile, wir gehen alle in die Kirche, ich auch, in die katholische Kirche.

Es ist Allerseelentag, dieses Fest ist das Fest aller Seelen; auf jeder Gruft brennen so viele Wachsfackeln, als sie geliebter Freunde Körper umfaßt. Die Lichter brannten so heilig, als wollten sie die Seelen vorstellen.

Alle die Kinder des Hauses gehen nach dem Grabe der Mutter, heute gleichen sie sich alle, sind alle stille Trauer und Nachdenken, und guter Vorsatz.

Die Brünette kniete so heilig, so gerührt am Grabe ihrer Mutter, sie betete und ward ohnmächtig, man brachte sie nach Hause, hier finden wir Joduno und den undeutlichen Bruder. Alles ist voll Freude. Die Brünette sagt, es sei ihr gewesen, als wenn es sie leise in die Gruft hinabzöge.

O Godwi, wo ist deine Mutter! die Schmerzen des steinernen Bildes fielen mir ein; wo ist meine Mutter!

Römer


In dem Bureau d'esprit hängt das Bild der Mutter Sophiens, in einer gelinden, zarten Zeichnung, die Geschwister gleichen ihr alle, jedes hat seinen schönen Zug, und den findest du gewiß in dem Bilde ihrer Mutter wieder.


Ende des ersten Teils[210]

Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 2, München [1963–1968], S. 210-211.
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Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter
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