Vorrede

[15] Dies Buch hat keine Tendenz, ist nicht ganz gehalten, fällt hie und da in eine falsche Sentimentalität. Ich fühlte es itzt. Da ich es schrieb, kannte ich alles das noch nicht, ich wollte damals ein Buch machen, und itzt erscheint es nur noch, weil ich mir in ihm die erste Stufe, die freilich sehr niedrig ist, gelegt habe. Ich vollendete es zu Anfang des Jahres 99, hatte mich damals der Kunst noch nicht geweiht, und war unschuldig in ihrem Dienste. Ich werde sie an diesem Buche rächen, oder untergehen. Diese Blätter gebe ich nicht wie ein Opfer hin, nein, sie sollen die Flamme nähren, in der ich ihr einst mein reines Opfer bringen will. Du wirst mir darum wohlwollen, lieber Leser, daß ich mich mit diesem Buche, das nur zu sehr mehr von mir als sich selbst durchdrungen ist, gleichsam selbst vernichte, um schneller zur Macht der Objektivität zu gelangen, und von meinem Punkte aus zu tun, was ich vermag. Es ist mir schon itzt ein inniger Genuß, alle Mängel, die ich vor zwei Jahren hatte, zu übersehen; sie alle zu verbessern, dazu müßte ich auf der letzten Höhe stehen, die ewig vor uns flieht. Doch will ich schneller, kunstreicher und begeisterter immer vorwärts schreiten, damit der Raum, der mich vom Ziele trennt, stets kleiner wird, und endlich nur dem Seher sichtbar bleibt.


1800. Juni.

Maria[15]


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 2, München [1963–1968], S. 15-17.
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