Gedanken über einen Hof voll Feder-Vieh, absonderlich über die Schönheit des Pfauen, bey Gelegenheit, als mir eine Rußische, Türckische und Grönländische Gans geschencket worden

[687] Grosser Schöpfer, ich verspüre,

Wie hier dieser fremden Thiere

Unterschiedene Gestalt,

Mit vergnüglicher Gewalt,

Mein Gemüth aufs neue rühre.

Hier erblick' ich abermahl,

Wie die Wercke Deiner Hände

Sonder Grentzen, Ziel und Ende,

Ohne Maasse, sonder Zahl.

Jede Landschaft bringt nicht nur,

Von so mancherley Figur

Farb' und Arten, manches Thier,

Uns allein zum Nutz, herfür;

Sondern in derselben Zier

Sollen wir,

Wie die Creatur so schön,

Unserm GOTT zu Ehren, sehn.

Wer einen Hof voll Feder-Vieh

Mit aufgeräumt-betrachtendem Gemüth,

Und aufgeklährten Sinnen, sieht,

Ergetzet sich mit Recht, erstaunt, bewundert sie.

Wie lebhaft, angenehm und niedlich

Ist das Gewühl der Hüner! wie verschiedlich[688]

Ist ihre Farb' und Form! wie fröhlich ihr Geschrey!

Wie ämsig all ihr Thun! wie kräftig wohnt der Hahn

Bald der, bald jener Hennen bey!

Ist er nicht gleichsam angethan

Mit einem Helm, mit Spornen an den Beinen?

Wie muthig sträubt er sich, wenn etwan ein Compan

Mit seiner Weiber Schaar sich suchet zu vereinen!

Da er die Flügel schlägt, und sich zum Kampfe rüstet.


Die Welschen Hüner ebenfalls

Sind schön, sind trefflich schön. Man seh' den Hals

Vom Welschen Hahn nur an, wenn er erhitzt sich brüstet.

Wie feurig ist das Roth, wie ist sein Kropf so bläulich,

Wie ist sein Zorn, der in den Augen flammt,

Zugleich so lächerlich und gräulich!

Die Federn sind, als wie ein schwartzer Sammt,

An welchem wir ein Weiß an allen Ecken,

Als wären sie mit Silber eingefasst,

Nicht ohn' Verwunderung entdecken.


Wie artig ist das schnatternde Getön

Der Gäns' und Enten anzuhören,

Und ihre Bildung anzusehn!

Die uns nicht ohn' Erbauung lehren,

Wie alle Glieder sonderbar,

Um sich nach ihrer Art zu nähren,

Vom Schöpfer weislich zugericht't.


Nicht minder giebt der muntern Tauben Schaar,

Wenn sie bald gehen, und bald fliegen,

So dem Gehör, wie dem Gesicht,

Ein angenehm, ein ungemein Vergnügen.

Mit Recht sieht niemand sonder Lust

An ihrem Hals', und an der Brust,[689]

Den wandelbaren Glantz der glatten Federn schimmern.

Wie lieblich klingt ihr süsses Wimmern,

Ihr Girren, ihr Geklatsch, wann sie sich aufwärts heben,

Und, bald in blauer Luft, in grossen Kreisen schweben,

Bald schnäbelnd, auf der Giebel Spitzen,

Verliebet bey einander sitzen.

Durch ihre mancherley Figur

Wird man nicht nur,

Durch ihre Schönheit auch, zum Herrn der Creatur

Geführt, geleitet und gewiesen.


Wird wohl mit allem Recht der Schöpfer nicht gepriesen,

Wann wir, in bunt gefärbtem Glantz,

Den Spiegel-voll- und hell beaugten Schwantz

Des über-Wunder-schönen Pfauen,

(Wie ihn der treffliche berühmte Triller nennt)

Worin ein buntes Feuer brennt,

Mit, trotz der Achtlosheit, erstaunten Blicken schauen?


Man leg' ein silbernes und güldenes Gewand

Drap' d'or und Drap d'argent genannt,

Woran von Seid' und Sammt der schönsten Farben Pracht,

Nach aller Kunst, durch menschlichen Verstand,

Zugleich mit angebracht,

Bey diesem gläntzenden Gefieder

Zur Probe nieder:

So wird man, daß nur dieß, nicht jenes, Wunder-schön,

Mit überführten Blicken sehn.


Wie zierlich ist doch die Figur

Der mehr als Kaiserlich geschmückten Creatur,

Der man mit Unrecht Würd' und Namen

Vom Paradieses-Vogel raubt.

Wie schlanck ist doch sein Hals, wie spitzig nett sein Haupt[690]

Das eine Crone schmückt!

Ein halber Silber-weisser Kreis

Umgiebt sein schwartzes Aug', ein Strich, der auch so weiß,

Wird an des Schnabels Horn erblickt.

Es scheinet die Natur auf dieses Thier

Mit vollen Händen

Der Bildung Pracht, der Farben Zier,

Zum Wunder gleichsam zu verschwenden.

Mit Farben scheinest du allein nicht einst zufrieden:

Denn in derselben bunten Schein

Mischt sich bey dir,

O allerschönstes Wunder-Thier,

Zugleich so Gold als Silber ein.

Der Schöpfer hat dir noch viel mehr beschieden:

Dein Gold ist bunt, und nicht allein nur gülden:

Mich deucht, daß ich so gar das helle Blau

Von jenen Himmlischen Gefilden,

Wann sie recht heiter sind, an deinem Halse schau,

Doch nein!

Es ist ja grün. Wie ist mir? Auf der Welt

Ist kein Smaragden-gleicher Feld.

Es scheint sein grüner Schweif

Recht deutlich vorzustellen

Der schönsten Wiesen Schmuck, voll blauer Gentjanellen,

Ja selbst von einem Grün- und bunten Garten,

Voll Bluhmen ungezählter Arten,

Die unverwelcklich sind; zumahl im Sonnen-Schein,

Scheint er der Inbegriff und Auszug recht zu seyn.

Er schleppt so gar,

Weit mehr als Kaiserlich,

Den prächtigsten Talar,

Ja gar ein Bluhmen-Feld und Garten hinter sich.[691]

Es scheint der Erden Pracht, und auch des Hi iels Schein,

Zugleich in dir zu sehn, und als vereint zu seyn.

Ja dieses nicht allein.

Mich deucht, ich seh' in deinem schönen Schwantz

So gar der Sonnen Licht und Glantz,

Und auch zu gleicher Zeit, o Wunder! alle Pracht

Von einer hell-gestirnten Nacht.

Mich deucht, daß ich darin, zu neuer Augen-Freude,

Copernici so herrlichs Stern-Gebäude,

Und in demselbigen, auf eine neue Weise,

Viel Sonnen- und Planeten-Kreise,

An statt in blauer Tief', an einer grünen Höhe,

In stillen Wirbeln gläntzen sehe.


Ja was noch mehr verwunderlich

Und welches einen Reichthum zeiget,

Der allen menschlichen Begriff weit übersteiget,

Ist, daß dieß schöne Thier in jedem Jahre sich

(Man dencke nach, wie weit sich die Natur-Kraft strecket,

Und wie das schönste auf der Welt

Ihr so gar leicht zu bilden fällt!)

In neuen Federn sich verneu't entdecket.


Ich sahe jüngst sein ausgebreitet Rad,

Das zehn Fuß, und noch mehr, im Durchschnitt hat,

Und hab' auf selbigem, so daß kein eintzigs fehlt,

An Spiegeln von Sapphir zwey hundert zwölf gezählt.

Unglaublich ist noch über diese Menge,

In welcher Ordnung und Gepräge,

In welcher Symmetrie sie sitzen,

Und wie sie in der Sonnen blitzen.

Der äussern Federn zarte Spitzen

Sind grün- und güld'nen Franjen gleich.
[692]

Ist nun der schöne Schweif voll blauer Himmels-Spiegel

Und, an gefärbtem Schimmer, reich;

So prangen ebenfalls die bunten Flügel

In einer gantz besondern Zier.

Es stellt ihr glattes Grau das Reich des Wassers für,

Worauf die duncklen halben Kreise

Erhab'ne kleine krause Wellen

Natürlich scheinen vorzustellen.


Die Wirckungen des Lichts sind auf der Welt

Vortrefflich herrlicher und besser,

Die Schönheit deutlicher und grösser

Von keinem Vorwurf dargestellt,

Als im Gefieder eines Pfauen.

Denn, daß die Pracht nicht in den Federn steckt,

Hat die Physic uns längst entdeckt.

Hier lässt sich eigentlich des Lichtes Schönheit schauen.


O grosser Gott! wer weis noch, wie so schön

Das Licht, dem der es selbst kann sehen, anzusehn.

Unstreitig setzt dieß Wunder-schöne Gläntzen

Noch Deiner Allmacht keine Grentzen:

Weil, so wie Du unendlich bist,

Dein' Allmacht, Weisheit, Lieb' auch unerschöpflich ist.


Einst hab' ich schöner Bluhmen Zier,

Für Anmuth gantz erstaunt fast ausser mir,

Bey Licht im bunten Feur gesehen.

Da denn, zumahl der Blätter Grün,

Zusamt dem zierlichen Geäder,

Gantz unverbesserlich und unvergleichlich schien.

Allein es bracht' von ungefehr

Mein Marianchen eine Feder

Aus einem Pfauen-Schwantz mir her.[693]

Mein Gott! wie stach derselben grüner Glantz

Der Blätter Farben weg! Sie werden gantz,

Hält man der Federn Glantz und grüne Gluht daneben,

Verändert, schmutzig, blaß und ohne Leben.


Ich stutzte recht, erstarrt', und konnte mich

In die Veränderung so gleich nicht finden.

Ich überlegt', erstummt, es erstlich innerlich,

Bis endlich, wie ein Strohm, ein frohes Ach!

Aus meiner Brust, nebst diesen Worten, brach:


Du Allmachts-voller Gott! wer kann ergründen

Den Abgrund Deiner Macht,

Die Tiefe Deiner Herrlichkeit?

Da die so Wunder-reiche Pracht,

Die im Metall- und Pflantzen-Reich sich zeiget,

Im Thier-Reich noch viel höher steiget,


Ach! möcht' es denn doch meiner Seelen,

O grosser Gott, an Schönheit auch nicht fehlen!

Ach! möcht' ihr geistiger in Andacht froher Schein

Dir so, wie Dein Geschöpf mir ist, gefällig seyn!

Ach! möchtest Du in ihr Dein Werck gedoppelt schön,

In Deiner Creatur Betrachtung, immer sehn!


So dacht' ich ungefehr bey meinem Feder-Vieh.

Und da ich es jetzt aufgeschrieben;

So bitt' ich dich, geliebtes Menschen-Kind,

Sey nicht, wann du dergleichen siehest, blind.

Betrachte Farb' und Form, und Nutz! beschaue sie

Und such', in deiner Seelen Freuden,

Zu deines Schöpfers Ruhm, den Blick daran zu weiden!


Quelle:
Barthold Heinrich Brockes: Auszug der vornehmsten Gedichte aus dem Irdischen Vergnügen in Gott. Stuttgart 1965, S. 687-694.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Irdisches Vergnügen in Gott
Irdisches Vergnügen in Gott: Erster und zweiter Teil
Irdisches Vergnügen in Gott: Dritter und Vierter Teil

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Lotti, die Uhrmacherin

Lotti, die Uhrmacherin

1880 erzielt Marie von Ebner-Eschenbach mit »Lotti, die Uhrmacherin« ihren literarischen Durchbruch. Die Erzählung entsteht während die Autorin sich in Wien selbst zur Uhrmacherin ausbilden lässt.

84 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon