Der Plan gelingt!

[216] Der alten Kupplerin Sibille getreue Magd Cäcilie hatte inzwischen sowohl in dem für den Erbprinzen und Rosa bestimmten Zimmer als auch im anstoßenden Lauschkabinetchen, worin bereits der Fürst und sein Minister Graf von Spindel sich befanden, alles auf's Beste geordnet. Der Fürst blieb in seiner Vermummung als ein Diener des Ministers unerkannt.[216]

Eine einzige Schirmlampe beleuchtete spärlich einen mit Erfrischungen aller Art reich besetzten Tisch, als der Erbprinz mit Rosa leise in das Gemach trat.

»Mein Gott, – flüsterte Rosa ängstlich, – wohin hat mich meine leichtsinnige Liebe geführt; o mein Prinz, welche Meinung werden Sie von meinem Charakter fassen?« »Stille, Liebchen, flüsterte eben so leise der Erbprinz, – man könnte horchen, und wie leicht wären wir dann verrathen!«

Während Rosa seufzend auf dem einladenden Ruhebette Platz nahm, setzte sich der Erbprinz an die Tafel, verzehrte gemüthlich ein gebratenes Huhn, und leerte mit raschen Zügen eine Flasche Champagner.

»Wie ist es möglich, mein Prinz, daß Sie im Augenblicke, den ich so sehr ersehnte, wie Sie, noch an etwas anders denken können?« – fragte kaum hörbar Rosa, mit der Betonung eines verletzten Gefühles.

Statt der Entschuldigung schlich der Erbprinz auf den Zehen, nur um kein Geräusch zu machen, auf das Lager zu, sank an ihren vollen, üppig-schwellenden Busen, und umschlang sie mit seinen kräftigen Armen, daß bald ihr Athem in tiefes, süßes Stöhnen sich verwandelte. Kaum vermochte mehr der Minister durch den Rath: »die Vollendung der That klüglich zu erwarten,« – den entrüsteten Fürsten und Vater vom raschen Eintritte abzuhalten; und als die Liebenden eben zu einer Wiederholung zu schreiten[217] schienen, ergriff er den Armleuchter mit sechs brennenden Wachskerzen, riß rasch die Thüre auf, trat mit dem Minister in das Gemach vor das Ruhebette hin, noch ehe die Liebenden aus ihrer innigen Umschlingung sich er, heben konnten, und rief ihnen mit donnernder Stimme zu: »Entarteter Sohn, wie kannst du das fürstliche Haupt deines Vaters und Herrn mit solcher Schande bedecken!« –

Der Minister stand hohnlächelnd, wie ein siegender Teufel, im Hintergrunde. Da stürzte der – der Erbprinz? O nein, der schöne Stallknecht des Erbprinzen, – Jost, – zu des Fürsten Füssen, um Gnade flehend, und mit einem lauten Schrei stürzte ohnmächtig auf das Lager zurück die eben sich aufraffende – Rosa? O nein, sondern die Frau Kabinetsministerin, Gräfin von Spindel!

Jost sprang rasch zur Thüre hinaus, und warf die ängstlich herbeieilende Cäcilie über den Haufen; der Fürst aber mit durchbohrendem Blicke, sagte zu dem vor Entsetzen erstarrten Minister, der regungslos wie eine Bildsäule in einer Ecke lehnte: »Es war von Ihnen ganz überflüssig, Ihren Fürsten zum Zeugen Ihrer häuslichen Schande zu machen. Wir sehen uns nie wieder! Gute Nacht!«

Und somit verließ der Fürst, im höchsten Grade aufgebracht, das Gemach und das Haus.

Quelle:
Friedrich Wilhelm Bruckbräu: Mittheilungen aus den geheimen Memoiren einer deutschen Sängerin. Zwei Theile, Band 1, Stuttgart 1829, S. 216-218.
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