Vorrede.

Ich liebe die Vorreden, weil ich die Nachreden immer fürchte, die in diesem Werke vielleicht einen reichen Stoff finden werden.

Was in Rosa's geheimen Memoiren erzählt wird, mag wohl geschehen seyn, und ich habe nicht die mindeste Ursache, daran zu zweifeln; aber wann, wo und von welchen Personen dieß Alles gethan wurde, ist eine Gewissensfrage, die das Geheimniß des Beichtsiegels für sich hat, das ich niemals verletzen würde.

Wohl wissend, daß es nicht an Grüblern fehlen werde, welche die handelnden Personen mit vermeintlichem Scharfblicke in ihrer Umgebung suchen, hab' ich bei jeder Thatsache, die mir auch nur der entferntesten persönlichen Deutung fähig schien, die Gestalt der Personen so geschildert, daß diese jeder andern Person mehr gleichen, als sich selbst.

Diese Vorschrift beschränkt sich nicht blos auf die Hauptstadt, in deren Nähe ich diese Vorrede so eben niederschreibe, sondern auch auf Wien, Mailand, Rom, Neapel, Madrid, Lissabon, Paris, London, Petersburg und Berlin, aus welchen ich die interessantesten Notizen mit wahrhaft polizeilich-genauer Personalbeschreibung der Betheiligten erhalten habe.

Margaretha von Valois, Königin von Navarra, Schwester Franz I. und Tochter Carls von Orleans, Herzogs von Angoulème und Luisens v. Savoyen, geboren 1492, sohin gerade dreihundert Jahre früher, als ich, hat das bekannte Werk geschrieben: »Heptaméron, ou les Nouvelles de la Reine de Navarre,« Erzählungen im Geschmacke des Boccaz, deren Freiheit mit der damaligen Sitte übereinstimmte, und keineswegs zu falschen Schlüssen auf den Charakter der Verfasserin verleiten darf.

Da nun die Freiheit im Vortrage, nach der[6] Meinung der besten Weltkenner, auch mit der gegenwärtigen Sitte übereinstimmt, so hoffe ich um so mehr eine eben so schonende Beurtheilung meines Charakters, als ich bei weitem ängstlicher als die schreibende Königin, bemüht war, nirgend den Anstand zu verletzen. Dieses Zeugniß werden mir auch die Leser meines jüngsten Werkes: »Die Verschwörung in München,« nicht versagen können.

Schauspieler, Sänger, Tänzer und Recensenten, die Quadratur des Zirkels, in welchem sich die Bühnenwelt dreht, werden die Wahrheit der Scenen aus ihrem Leben nicht verkennen, die ich al fresco gemalt habe, und mir darum nicht zürnen; die Schauspielerinnen, Sängerinnen und Tänzerinnen aber bitte ich ausdrücklich um Vergebung, wenn ich etwa im Feuer der Erzählung die Gardinen ihrer Ruhebettchen zu weit gelüstet habe; aber da sie öffentliche Personen sind, die auf der Bühne bei ganz geöffnetem Vorhange das Publikum zu ergötzen pflegen, so möchte es wohl verzeihlich seyn, wenn ich erzähle, wie sie zu Hause bei ganz geschlossenen Vorhängen spielen, indem ich diese kaum[7] zur Hälfte öffne; denn von so schönen Augen wünsche ich nicht als ein Verräther betrachtet zu werden, der fähig seyn könnte, des Lasters der Undankbarkeit sich schuldig zu machen.


Geschrieben auf der Insel Wörth im Würmsee, den 1. Januar 1829.

Der Verfasser.[8]

Quelle:
Friedrich Wilhelm Bruckbräu: Mittheilungen aus den geheimen Memoiren einer deutschen Sängerin. Zwei Theile, Band 1, Stuttgart 1829.
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