Der Operationsplan.

[131] »Liebe Rosa,« begann die Prinzessin, als jene zurückkam, »du würdest mich und die Obersthofmeisterin durch Mittheilung des Planes, wornach du in meiner Angelegenheit zu verfahren gedenkest, in hohem Grade beruhigen, wenn du keine besonders wichtigen Gründe hast, ihn zu verschweigen.«

»Keineswegs,« erwiederte Rosa, »mein Plan ist für[131] dich und diese hochverehrliche Dame kein Geheimniß. Du bleibst bei mir bis zu deiner Entbindung und noch zwei Monate darnach, um alles Aufsehen zu vermeiden, stets unter dem Vorwande der nöthigen Herstellung deiner Gesundheit. Meine Betty ist die Tochter einer Hebamme, und mit den Geschäftsverrichtungen ihrer Mutter vollkommen vertraut. Wir bedürfen sohin keiner fremden Hülfe, die uns verrathen könnte; wir brauchen Niemand in das Geheimniß einzuweihen. Sobald das Kind geboren ist, setzt sich meine treue Betty damit in den Wagen, und bringt es in eine Meierei an der Gränze, zu redlichen Landleuten, denen nöthigenfalls ein kleiner Roman aufgetischt wird. Nach reichlicher Vergütung für die kurze Zeit der Verpflegung wandert das liebe Kindlein wieder in mein Landhaus zurück, als das Vermächtniß einer unbemittelten Frau aus meiner Verwandtschaft, die es in ihrem Testamente meiner Liebe und Theilnahme empfahl. Du besuchst dann täglich mich und dein liebes Kind, verweilest während des Frühlings und Sommers auf meinem Landhause und genießest die Wonnen einer glücklichen Mutter, ohne den mindesten Verdacht zu erregen. Ich schmeichle mir, die Gewogenheit deines Vaters in einem hohen Grade zu besitzen. Sie soll mir dazu dienen, ihn für deine Vermählung mit dem Prinzen Paul zu stimmen, sobald du nach der Entbindung dich vollkommen erholt, und die jungfräuliche Lebenskraft am Busen der schönen Natur wieder gefunden[132] hast. Bis dahin verlasse ich die Bühne, schenke mein Landhaus meinem Pflegevater Wagner, ziehe mit euerm Kinde zu Euch, reiche dem Geliebten, den meine Lippe dir bis jetzt verschwieg, obwohl er tief in meinem Herzen thronet, meine Hand am Altare, und führe an Eurer Seite, im Genuße meines großen Vermögens ein unabhängiges Götterleben. Dieser Plan, wenn du ihn, geliebte Eleonore, vollkommen billigest, will ich in den Frühstunden des kommenden Tages ausführlich niederschreiben, und durch meinen vertrauten Freund Hetzer dem Prinzen Paul zur Kenntniß und Billigung übersenden. Bist du nun mit mir zufrieden?«

»Vollkommen, vollkommen,« rief Eleonora ganz entzückt aus, und bedeckte ihre liebe Rosa mit zahllosen schwesterlichen Küssen. Selbst die altadelige Obersthofmeisterin vergaß sich in dem süßen Gefühle ihrer zweifellosen Hofluftrettung so sehr, daß sie die bürgerliche Rosa aufrichtig an ihr Herz drückte.

Eleonora war von wonnigen Erinnerungen an ihren geliebten Paul, von den Blutwallungen feuriger Weine und rascher Tänze, so wie von den reizenden Aussichten in eine lockende Zukunft in Pauls Armen, zu sehr aufgeregt, um allein schlafen zu können, sie wünschte ihre zartesten und heimlichsten Empfindungen einem gleichgestimmten Wesen in herzlichen Umarmungen mittheilen zu können. Die Obersthofmeisterin wurde in ihr Bett geschickt, und [133] Rosa, nachdem sie vor Eleonorens Augen die letzte leichte Hülle abgelegt hatte, mußte das Lager ihrer Busenfreundin für diese Nacht theilen.

Unzählbare Küsse rauschten; sie hielten sich wie im Liebestaumel umschlungen, in wechselseitiger Lobpreisung der seltensten Formen wunderschöner Weiblichkeit wetteifernd. Beide Mädchen überließen sich dem schmeichelnden Wahne, in den Armen der Auserlesenen ihrer Herzen zu liegen, und den süßen Träumereien und neckenden Einfällen einer fessellosen Phantasie. Oft nannten beide die Namen ihrer Angebeteten, während sie Eleonore oder Rosa sagen wollten; wie wenig hätte für eine von Beiden aus den Händen der allbeglückenden Natur hingereicht, um Beide zu den seligsten Menschen umzuwandeln, die jemals ein keusches Ehebett redlich und liebevoll getheilt haben!

Am andern Tage, Morgens zehn Uhr, verließ Hetzer, zur allgemeinen Verwunderung seiner Bekannten, welche sich über die Ursache gewaltig die Köpfe zerbrachen, in einem bequemen Reisewagen mit Courierpferden die Hauptstadt, fuhr zum entgegengesetzten Thore seines Reisezieles hinaus, und schlug erst auf halbem Wege der ersten Poststation die nöthige Richtung ein.

Quelle:
Friedrich Wilhelm Bruckbräu: Mittheilungen aus den geheimen Memoiren einer deutschen Sängerin. Zwei Theile, Band 2, Stuttgart 1829, S. 131-134.
Lizenz:
Kategorien: