Der dritte Vater.

[148] Eine Stunde nach Antonio's und Chiaretti's Abreise saß auch der Erbprinz schon im Wagen, wohnte der Jagd bei seinem Nachbar bei, wo er aus ungewöhnlicher[148] Zerstreuung fast immer fehlte, und überraschte Rosa bei der Mittagstafel als Gast.

»Nicht wahr, liebe Rosa,« sprach er eintretend und mit ritterlicher Galanterie das niedliche Händchen küssend, »nicht wahr, ich bin ein zudringlicher Gast, der nach kurzem Abschiede schon wieder erscheint? Ich habe die Speisen bei der Abendmahlzeit gestern so trefflich gefunden, daß ich heute Lust fühle, den Rest davon zu verzehren!«

Rosa benahm sich bei dieser Unterredung mit so viel Geist und Anmuth, daß der Erbprinz vor Entzücken über ihre Liebenswürdigkeit ganz außer sich war. Er nahm keinen Anstand, ihr die Treulosigkeit der Chiaretti, und ihre Verweisung nebst Antonio ausführlich zu erzählen.

Rosa hätte ihm einen Beitrag, ein Gegenstück von Chiaretti's Untreue liefern können, wäre es ihr vergönnt gewesen, auf die Augenzeugen sich berufen zu dürfen.

Der Erbprinz schloß seine Erzählung mit einer förmlichen Liebeserklärung, und mit dem Geständnisse, daß seine Liebe zu Chiaretti an dem Tage erloschen sey, da er Rosa zum erstenmale gesehen und gesprochen habe; jetzt sey er frei von allen andern Banden, könne ihr ein gutes, treues Herz anbieten, und sey bereit, was sie nur immer wünsche, zu thun, jede ihrer Forderungen unverzüglich zu erfüllen, wenn sie ihn nur mit ihrer Gegenliebe beglücken wolle.[149]

Von der Heftigkeit der innern Gefühle hingerissen, stürzte er sogar vor Rosa nieder, umklammerte flehend ihre Kniee, und betheuerte bei Allem, was ihm heilig sey, nicht eher aufzustehen, bis sie ihn erhört habe.

Rosa schien einen Augenblick nachzusinnen, dann sprach sie mit liebreizendem Lächeln: »Wohlan, ich erfülle Ihre Wünsche, jedoch nur unter einer einzigen Bedingung!«

»Und welche ist diese?«

»Daß Sie zuvor den theuersten Wunsch Ihres Vaters und des ganzen Vaterlandes zu erfüllen geloben; Ihre Vermählung mit irgend einer schönen und tugendhaften Prinzessin!«

»Fordere Alles, nur dieß nicht! Ich scheue den Ehestand! er ist das Grab der wahren Liebe, und im glücklichsten Falle die Wiege der Freundschaft.«

»Vergessen Sie nicht, daß Sie höhere Pflichten haben, als ein Privatmann; Sie müssen Ihre persönlichen Ansichten dem Heile des Vaterlandes opfern!«

»Nun wohl, Rosa, ich gebe dir mein Wort, daß ich mich vermählen will. Das ›wann‹ steht aber bei mir.«

»Nein, mein lieber Prinz; ein Jahr ist die längste Frist.«

»Lange genug, um ein Meer von Seligkeiten auszutrinken! Hier mein Wort und meine Hand darauf!«[150]

»Ueberlassen Sie es mir, Ihren Vater von diesem für das ganze Land höchst erfreulichen Ereignisse in Kenntniß zu setzen!«

»Recht gerne, mein schöner Engel, doch verzögere nun auch nicht länger mehr mein langersehntes Glück, da ich so folgsam mich gezeiget habe!«

Ein halbes Stündchen darnach lag der Erbprinz im Schooße des vermeintlichen Himmels.

Als die rosigen Thore desselben sich wieder geschlossen hatten, spielte Rosa die nämliche Rolle, wie bei den Umarmungen des Gesandten und des Fürsten und der Erbprinz war darüber so erfreut, daß er sein Wort wegen einer Vermählung mit einer Prinzessin sogleich zurücknehmen wollte, um sich mit Rosa auf die linke Hand trauen zu lassen, ein Antrag, den diese mit allem Ernste ablehnte.

»Wie sollte es mir aber möglich seyn, deiner Liebe zu entsagen, wenn ich durch das Band der Ehe von dir getrennt bin? Nein, dieß kann ich nicht thun, am wenigsten, wenn ich ein Kind deiner Liebe an mein vä terlich-fühlendes Herz drücken werde!«

»Sorgen Sie nicht, was künftig seyn werde, so lange Sie sich gegenwärtig glücklich fühlen. Wählen Sie die künftige Gefährtin Ihres Lebens nach den Forderungen Ihres Verstandes und zartfühlenden Herzens. Finden Sie dann in ihr das höchste Glück Ihres Daseyns, so[151] werden Sie von selbst die ungenügende Wonne eines getheilten Herzens nicht mehr wünschen, wo nicht, so werden Ihnen meine Arme immer offen stehen.«

Quelle:
Friedrich Wilhelm Bruckbräu: Mittheilungen aus den geheimen Memoiren einer deutschen Sängerin. Zwei Theile, Band 2, Stuttgart 1829, S. 148-152.
Lizenz:
Kategorien: