23.

[122] In Wiedensahl hat sich früher ein alter Soldat aufgehalten, der war im Kriege zum Krüppel geschossen und hatte ein hölzernes Bein und weil er davon hinkte, so nannten ihn die Leute »Hinkebein«. Er betrank sich viel, war aber sehr beliebt, denn er konnte den ganzen Abend Märchen und andere Geschichten erzählen. Wenn er nun erzählen wollte, so schlug er mit seiner Krücke auf den Stuhl und rief: »Nu höret, kinner, eck will jück wat vertellen.« – So erzählte er auch: Es ist nun schon über hundert Jahre her, da hat auf Pastors Hofe bei Nacht immer eine Kutsche mit vier Pferden gefahren; darin saß der verstorbene Pastor. Die Kühe fingen an zu brüllen, die Thüren schlugen und den Mägden wie dem Knechte wurden die Bettdecken weggezogen. Das ist nicht zum Aushalten gewesen. In einer Nacht ist der Knecht aufgestanden und in die Stube gegangen, da hat der Pastor leibhaftig hinter dem Ofen gesessen, mit der weißen Zipfelmütze auf dem Kopfe. Als der Knecht ihn anredete und fragte, warum er immer wieder käme, hat er geantwortet, das wären seine Sachen nicht. – Zuletzt, weil der Spuk hat gar nicht aufhören wollen, hat man zum Pater geschickt, der hat ihn endlich weggebetet. Das ist nun aber schon über hundert Jahre her.

Quelle:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. München 1910, S. 122-123.
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