Zweytes Schertz-Schreiben

An eben den vorigen

[377] 1688.


Ohn Zweiffel, lieber Bruder mein,

Wirst du von mir ein Schreiben fein

Zu Händen han empfangen,

Und daraus wohl ersehen satt,

Wie es allhier in dieser Stadt

Und auch bey Hof ergangen.


Nunmehr ich auch berichten thu,

Was sich seit dem getragen zu

Gar schön nach alter Weise.

Der junge Printz I*** gut,

Sich hier nicht mehr aufhalten thut,

Er nahm von hier die Reise.
[377]

Gleichwie, er nun incognito

Gelebet, hat er auch also

Sich weggemacht zur Stunde.

Warum? Es kam ein andrer Fürst

Und nahm ihm, wie du hören wirst,

Den Braten aus dem Munde.


Der Bräutigam, die gute Haut,

Verlohr darüber seine Braut,

Denckt Christen, welcher Jammer!

Der Printz von Neuburg Tugendsam,1

Des Käysers Schwager kam und nahm

Besitz in Bett und Kammer.


Er kam hieher ohn allen Spott,

Und hatte seiner Diener Rott

Bey sich ohn alle Scheue.

Der Churfürst ihn ins Schloß nahm ein,

Hat ihn auch selbst zur Tafel sein

Geladen ein mit Treue.


So bald er sich hier einlogirt,

Ward gleich sein tapffres Hertz gerührt

Mit des Cupido Pfeilen.

Er dachte, wie er sich bey ihr

Der Wittwen, möchte mit Manir

Einspielen ohn verweilen.


Die junge reiche Wittwe frisch

Saß stets bey ihm an einem Tisch

Wohl recht zu seiner Seiten,

Und ließ sich drauf, in kurtzer Frist,

Vernimm von mir ohn arge List,

Zu seiner Liebe leiten.
[378]

Vergessen war der Bräutigam,

Der in Gedancken sie schon nahm

Vor diesem jungen Helden.

Sie ließ sich eilends mit ihm traun,2

B*** durffte nicht zuschaun,

Glaub mir, was ich thu melden.


Den Herrn Gravel diß Ding verdroß,3

Vor Unmuth fuhr er bald aufs Schloß,

Bald wieder auf die Strassen.

Doch dieses halff nichts mehr dazu,

Der Teuffel selber muß sie nu

Wohl bey einander lassen.


Das ist so in der Still geschehn,

Da sich es niemand hat versehn,

So geht es auf der Erden:

Der eine sticht den andern aus,

Wie in der Karte kan das Tauß

Vom Trumpff gestochen werden.


Hiermit, mein Bruder, gute Nacht!

Tausend sechshundert achzig acht,

Zu Berlin nicht zu Halle,

Hab ichs den ersten Tag datirt,

Der von August den Nahmen führt,

Nun ist mein Neues alle.


P.S. Weil zu dieser Frist

Das Brieflein liegen blieben ist,

Muß ich dir noch diß schreiben,

Daß heut, den anderen August,

Die Thore dieser Stadt mit Lust

Geschlossen müssen bleiben.
[379]

Man war bemüht denselben gar,4

Der heimlich hat getraut diß Paar,

Zu greiffen und zu fangen;

Allein, der Fuchs hat sich bey Zeit

Als wie ein Hofmann ausgekleidt,

Und ist davon gegangen.


Ende


Fußnoten

1 Dieses Schreiben erklärt sich selbst aus dem vorhergehenden, davon dieses eigentlich die Fortsetzung ist.


2 Dieses geschah den 24. Julii alten, oder den 1. Aug. neuen Calend. 1688.


3 Monsieur de Gravelle hieß der damahls neu angelangte Frantzösische Gesandte, bey welchem der erste Frey-Werber abgetreten war.


4 Die Trauung geschah heimlich in des Käyserlichen Abgesandten, Grafen von Sternberg, Wohnung, durch einen C. Priester, welcher sich gleich darauf wieder hinweg begab.
[380]

Quelle:
Friedrich Rudolph Ludwig von Canitz, Kritische Ausgabe: Gedichte, Tübingen 1982, S. 377-381.
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