Zweites Kapitel.

[121] Erzählt das Abenteuer von dem verliebten Schäfer, nebst andern wahrhaft lustigen Begebenheiten.


Don Quixote hatte sich noch nicht weit vom Wohnsitze des Don Diego entfernt, als er zwei Leuten begegnete, die wie Geistliche oder Studenten aussahen, nebst zwei Bauern, welche auf vier Eseltieren beritten waren. Einer von den Studenten hatte aus grünem Barchent eine Art von Mantelsack gemacht, worin er dem Anscheine nach einige Prachtwäsche und zwei Paar linnene Strümpfe hatte; der andere hatte nichts als zwei neue Rapiere mit ihren ledernen Knöpfen. Die Bauern hatten andere Sachen bei sich, so daß man wohl sah, daß sie aus einer großen Stadt kamen, wo sie eingekauft hatten, und sich nun damit nach ihrer Heimat zurückverfügten; und sowohl die Studenten als die Bauern verfielen in das Erstaunen, dem keiner entging, welcher den Don Quixote zum ersten Male sah, so daß sie vor Begierde brannten, zu erfahren, wer der Mann sei, der in seiner Gestalt so sehr von der der gewöhnlichen Menschen abwich. Don Quixote grüßte sie, und da er erfuhr, welchen Weg sie nahmen und daß es der nämliche, den er zu machen gesonnen, sei, bot er ihnen seine Gesellschaft an und bat sie, den raschen Schritt ihrer Esel etwas anzuhalten, weil sein Pferd langsamer laufe, und zugleich, um sich verbindlich zu erzeigen, sagte er ihnen kürzlich seinen Namen und Stand, daß er irrender Ritter sei und ausziehe, um Abenteuer in allen Teilen der Welt zu suchen. Er erzählte, wie er mit seinem eigentlichen Namen Don Quixote von la Mancha heiße, mit dem Beinamen der Ritter von den Löwen.[122]

Dies alles war für die Bauern so gut wie Griechisch oder Rotwelsch; für die Studenten aber nicht, die leicht inne wurden, wie schwach es um das Gehirn des Don Quixote bestellt sei. Aber dennoch betrachteten sie ihn mit Bewunderung und Ehrfurcht, und einer von ihnen sagte: »Wenn Ihr, Herr Ritter, keinen bestimmten Weg habt, wie es bei denen nicht der Fall zu sein pflegt, welche Abenteuer suchen, so geht mit uns, und Ihr werdet eine der schönsten und prächtigsten Hochzeiten sehen, die nur bisher in la Mancha oder auch auf viele Meilen in der Runde gefeiert ist.«

Don Quixote fragte, ob es die Hochzeit eines Fürsten sei, da er in so hohen Ausdrücken von ihr spreche. »Mitnichten«, antwortete der Student, »es ist die Hochzeit eines Bauer und einer Bäuerin; er ist der reichste im Lande und sie die schönste, die ein Mensch nur sehen kann. Die Zurüstungen zu den Festlichkeiten sind außerordentlich und ganz neu, denn sie sollen auf einer Wiese vor sich gehen, die an das Dorf der Braut grenzt, welche vorzugsweise die schöne Quiteria genannt wird; der Bräutigam heißt der reiche Camacho. Sie ist achtzehn und er zweiundzwanzig Jahre alt; beide sich gleich, obwohl einige Genaunehmer, die alle Verwandtschaften von der Welt im Gedächtnisse haben, behaupten, daß die Familie der schönen Quiteria älter sei als die des Camacho; aber darauf kömmt es nicht sonderlich an, denn das Vermögen ist imstande, viele Ungleichheiten auszufüllen. Dieser Camacho ist in der Tat sehr freigebig, und er hat den Einfall gehabt, die ganze Wiese von oben mit Zweigen und Laubwerk bedecken zu lassen, so daß die Sonne Mühe haben wird, wenn sie das grüne Gras unten besuchen will, womit der Boden bewachsen ist. Er hat auch Banden von Tänzern, sowohl mit Schwertern als mit Schellen, denn in seinem Dorfe gibt es ihrer, die sie auf die trefflichste Weise zu schütteln und damit zu springen verstehen; von den Sohlenklatschern sage ich nichts, denn es ist weltbekannt, daß ihm die herrlichsten nicht fehlen; aber nichts von allen diesen Dingen noch von anderen, derer ich nicht erwähnt habe, ist auf dieser Hochzeit das merkwürdigste, sondern, wie ich glaube, das, was der unglückliche Basilio bei dieser Feierlichkeit vornehmen wird. Dieser Basilio ist ein junger Bursche und wohnt ebenfalls im Dorfe der Quiteria; er war der Wandnachbar von den Eltern der Quiteria; was Amor benutzte, um der Welt die schon vergessene Liebe des Pyramus und der Thisbe zu erneuern; denn Basilio verliebte sich schon in seinem frühesten und zartesten Alter in die Quiteria, und sie kam seinen Wünschen mit tausend untadelhaften Gunstbezeigungen entgegen, so daß man sich zur Unterhaltung im Dorfe die Liebe der beiden Kinder Basilio und Quiteria erzählte. Sie wuchsen heran, und nun fiel es dem Vater der Quiteria ein, dem Basilio die gewöhnlichen Besuche in seinem Hause zu untersagen, und um sich alles fernern Argwohns und aller Verdrießlichkeiten zu entledigen, befahl er seiner Tochter, den reichen Camacho zu heiraten; denn es gefiel ihm nicht, sie dem Basilio zu geben, den das Glück weniger als die Natur mit Gaben versehen hat. Denn wenn man die Wahrheit ohne Neid gestehen soll, so ist er der geschickteste junge Mensch, den wir noch gesehen haben; er ist ein trefflicher Schleuderer, ein außerordentlicher Ringer und trefflicher Ballspieler; er läuft wie eine Gemse, springt besser als eine Ziege und versteht das Kugelspiel, daß man es für ein Zauberwerk halten möchte; er singt wie eine Lerche und spielt die Gitarre, daß er ihr fast eine Zunge gibt; vorzüglich aber weiß er mit dem Degen seine Gänge zu machen, wie der Erste in der Kunst.«

»Bloß dieser schönen Gabe wegen«, sagte hierauf Don Quixote, »verdiente dieser junge Mensch nicht nur die schöne Quiteria zu heiraten, sondern selbst die Königin Ginebra, wenn sie heutzutage noch lebte, dem Lanzarote und allen zum Trotz, die sich dem widersetzen wollten.«

»Damit kommt nur meiner Frau«, sagte Sancho Pansa, der bis dahin stillschweigend zugehört hatte, »die will durchaus immer, daß sich gleich und gleich verheiraten sollen; denn sie hält sich an das Sprichwort: Gleich und gleich gesellt sich gern. Mein Wunsch ist nur, daß der liebe Basilio, dem ich jetzt schon von Herzen gut bin, sich mit der Dame Quiteria verheiraten möchte und daß doch alles Heil und Wohlergehen[123] die treffe« – er wollte aber das Gegenteil sagen –, »die es hindern, daß sich die heiraten können, die einander lieben.«

»Wenn alle diejenigen, die sich lieben, sich auch heiraten müßten«, sagte Don Quixote, »so verlören die Eltern dadurch das Recht, diejenigen auszuwählen, mit denen sie ihre Kinder verbinden wollten, und zu welcher Zeit dies geschehen soll. Käme es aber auf den Willen der Töchter an, sich selber den Gatten auszuwählen, so würde die eine den Knecht ihres Vaters wählen, eine andere den, welchen sie auf der Straße vorbeigehen gesehen und der ihr zierlich und brav geschienen, wenn er auch ein nichtsnütziger Vagabonde sein sollte; denn Liebe und Leidenschaft verblenden leichtlich die Augen des Verstandes, die doch so notwendig sind, um sich zù vermählen; und der Stand der Ehe ist besonders der Gefahr des Irrens ausgesetzt; große Vorsicht und eine besondere Gunst des Himmels sind hierbei vonnöten, wenn es zum Glücke gedeihen soll. Einer will eine weite Reise tun, und wenn er klug ist, so sucht er, bevor er sich auf den Weg macht, eine sichere und angenehme Gesellschaft, die ihn begleiten mag; warum sollte der nun nicht dasselbe tun, der eine Reise vor sich sieht, die nur mit dem Tode endigt; besonders da ihn sein Gefährte zu Tisch und Bett und allenthalben begleitet, wie es mit Mann und Frau geschieht? Eine Frau ist keine Ware, die, einmal gekauft, sich wieder weggeben, tauschen oder auswechseln läßt; sie ist eine unzertrennliche Begleitung, die so lange dauert, als das Leben dauert; eine Schlinge, die, wenn sie einmal um den Hals geworfen ist, sich in den Gordischen Knoten verwandelt, der niemals aufgelöst wird, wenn ihn nicht die Sichel des Todes zerschneidet. Ich könnte noch mancherlei über diesen Gegenstand sagen, wenn mich nicht der Wunsch zurückhielte, zu erfahren, ob der Herr Lizentiat noch mehr von der Geschichte des Basilio vorzutragen hat.«

Worauf der Student, Baccalaureus oder Lizentiat, wie ihn Don Quixote nannte, antwortete: »Weiter ist nichts zu erzählen übrig, als daß von demselben Augenblicke an, wo Basilio erfuhr, daß die schöne Quiteria sich mit dem reichen Camacho verheirate, man ihn nie mehr lachen sah noch ein vernünftiges Wort sprechen hörte; er geht immer nachdenkend und traurig umher, spricht mit sich selber und gibt damit deutliche und gewisse Beweise, daß er den Verstand verloren hat. Er ißt wenig und schläft wenig, und wenn er ißt, so sind es Früchte, und wenn er schläft, welches selten geschieht, so ist es im freien Felde auf harter Erde, wie ein unvernünftiges Tier. Manchmal schaut er zum Himmel auf; dann wieder heftet er die Augen so stier auf den Boden, daß er wie eine bekleidete Bildsäule aussieht, deren Gewand die Luft bewegt. Kurz, er gibt so viele Beweise, wie sein Herz zerrissen sei, daß wir alle, die ihn kennen, fürchten, daß das Ja, welches die schöne Quiteria morgen ausspricht, zugleich sein Todesurteil sein wird.«

»Das wird Gott verhüten«, sagte Sancho; »denn wenn Gott Krankheit gibt, so gibt er auch Arznei. Kein Mensch weiß, was kommen wird; zwischen hier und morgen sind noch viele Stunden, und in einer, ja in einem Augenblicke kann ein Haus einfallen. Ich habe wohl schon Regen und Sonnenschein zu gleicher Zeit gesehen. Mancher legt sich frisch und gesund zu Bette und steht den anderen Morgen nicht wieder auf. Und sagt mir doch, kann sich wohl ein Mensch rühmen, daß er einen Nagel in das Rad des Glückes geschlagen habe? Wahrhaftig nicht! Und zwischen dem Ja und dem Nein eines Weibes getraue ich mich nicht eine Nadel hineinzustecken. Ei genug, daß Quiteria den Basilio von ganzem Herzen und mit voller Seele liebt, damit hat er so gut wie einen Sack voll Glück, denn die Liebe, wie ich mir habe sagen lassen, sieht durch Brillen, die Kupfer in Gold, Armut in Reichtum und Triefaugen in Perlen verwandeln.«

»Wohin willst du, Sancho? Daß du doch verflucht seiest!« rief Don Quixote; »denn wenn du einmal anfängst, Sprichwörter und Narrenpossen aufzureihen, so kann keiner bei dir ausdauern als Judas, der dich holen soll! Sage doch, Vieh, was weißt du von Nägeln und Rädern oder dem übrigen Zeuge?«

»Wenn man mich nicht versteht«, antwortete Sancho, »so ist es kein Wunder, wenn man meine Sentenzen[124] für Narrenpossen hält. Es schadet aber nichts, ich verstehe mich, ich weiß, daß ich in dem, was ich gesagt habe, keine Dummheiten gesagt habe; aber Ihr, gnädiger Herr, seid immer der Freßkahl meiner Worte und auch meiner Handlungen.«

»Fiskal heißt es«, sagte Don Quixote, »und nicht Freßkahl, du Verderber aller guten Sprache, den Gott vernichten möge!«

»Ihr müßt es mit mir nicht so genau nehmen«, antwortete Sancho; »denn Ihr wißt ja, daß ich nicht in der Residenz erzogen bin und nicht in Salamanca studiert habe, um zu wissen, ob ich etwas zusetzen oder einen Buchstaben bei meinen Vokabeln weglassen muß. Das wäre, so wahr Gott lebt, als wenn man vom Sayagueser forderte, daß er so sprechen sollte wie der Toledaner, ob es gleich auch wohl Toledaner geben mag, die es mit dem zierlichen Sprechen nicht so haarscharf nehmen.«

»So ist es auch«, sagte der Lizentiat; »denn diejenigen, die in den Gerbereien und im Zocodover aufwachsen, können nicht so sprechen wie die, welche fast den ganzen Tag in den Kreuzgängen der Hauptkirche zubringen, und doch sind alle Toledaner. Die reine Sprache, den rechten Ausdruck, Eleganz und Bestimmtheit findet man bei den gebildeten Hofleuten, wenn sie auch zu Majadahonda geboren sind. Ich sage, bei den gebildeten; denn es gibt viele, die dies nicht sind, und doch ist ebendiese Bildung die Grammatik alles guten Sprechens, die uns gewöhnlich begleiten muß. Ich, meine Herren, habe für meine Sünden das geistliche Recht zu Salamanca studiert, und ich bemühe mich, einigermaßen meine Gedanken in deutlichen, einfachen und bedeutenden Worten auszudrücken.«

»Hättet Ihr Euch nicht mehr Mühe gegeben, die Papiere da zu führen als die Sprache gebrauchen zu lernen«, sagte der andere Student, »so hättet Ihr die ersten Würden erhalten, wie Ihr nun in den Nachtrab gekommen seid.«

»Ihr, Baccalaureus«, antwortete der Lizentiat, »seid in der irrigsten Meinung von der Welt, indem Ihr die Fechtkunst für unnütz haltet.«

»Es ist bei mir keine Meinung, sondern eine ausgemachte Wahrheit«, versetzte Corchuelo; »und wenn Ihr wollt, daß ich es durch die Erfahrung beweise, so nehmt die Degen, Platz haben wir hier, ich fühle Kraft und Mut, und dies mit meinem nicht geringen Eifer soll zusammengenommen Euch zu dem Bekenntnisse bringen, daß ich mich nicht irre. Steigt ab und gebraucht alle Eure Stellungen, Eure Kreise und Winkel und Kunstgriffe, ich will Euch mit meiner natürlichen, ungelernten Geschicklichkeit die Sterne am hellen Mittage sehen lassen; denn bei Gott, der Mensch soll noch geboren werden, der mich zum Fliehen bringt, und keiner in der Welt soll so viel vermögen, daß ich nur einen Fußbreit zurückweiche.«

»Ich will weder das Fliehen noch das Zurückweichen behaupten«, versetzte der Fechtmeister; »aber es könnte wohl kommen, daß man Euch da, wo Ihr den Fuß zuerst hinsetzt, Euer Grab bereitete; ich meine, daß Ihr auf derselben Stelle, vermittelst der verachteten Kunst, tot bliebet.«

»Es wird sich jetzt zeigen«, antwortete Corchuelo. Zugleich stieg er sehr schnell von seinem Tiere ab und nahm wütig einen von den Degen, die der Lizentiat auf seinem Esel hatte.

»Das geschehe nicht also!« rief hierauf Don Quixote; »denn ich will der Aufseher über diesen Kampf und der Schiedsrichter dieser oft aufgeworfenen und nie entschiedenen Frage sein.« Er stieg hiermit vom Rozinante ab, lehnte sich auf seine Lanze und stellte sich so in die Mitte des Weges, indessen sich der Lizentiat schon mit edlem Anstande und in einer Fechterstellung gegen Corchuelo richtete, der gegen ihn stürzte und, wie man zu sagen pflegt, Feuer aus den Augen sprühete. Die anderen beiden Bauern aus der Gesellschaft dienten, ohne von ihren Eseln abzusteigen, zu Anschauern dieser tödlichen Tragödie. Der Hiebe, Stöße, Ausfälle, Angriffe und Schläge, die Corchuelo tat, waren unzählige; sie fielen dichter wie Regentropfen und gedrängter als Hagel. Er griff an wie ein wütender Löwe; aber er traf in seinen Anfällen auf[125] einen Maulstopfer von dem Degenknopfe des Lizentiaten, der mitten in seiner Wut ihn anhielt und sich von ihm küssen ließ, als wenn er eine Reliquie wäre, obgleich dies nicht mit der Andacht geschah, mit welcher es sich ziemt, daß die Reliquien geküßt werden. Endlich zählte ihm der Lizentiat mit Stößen alle Knöpfe auf seinem kurzen Oberkleide und zerriß ihm die Ärmel in lauter Fetzen. Zweimal warf er ihm den Hut herunter und ermüdete ihn so sehr, daß jener aus Verdruß, Zorn und Wut den Degen bei dem Griffe faßte und ihn mit solcher Gewalt durch die Luft schleuderte, daß einer von den gegenwärtigen Bauern, der ein Schöppe war und ihn wiederholte, nachher Zeugnis abgelegt hat, daß er ihn beinahe drei viertel Meilen weggeschmissen habe, welches Zeugnis dazu dient und gedient hat, um mit aller Wahrheit einzusehen, wie die Stärke von der Kunst überwunden wird.

Corchuelo setzte sich ermüdet nieder, und Sancho ging zu ihm und sagte: »Bei meiner Seele, Herr Baccalaureus, wenn Ihr meinem Rate folgen wollt, so fordert keinen wieder auf den Degen heraus, sondern auf Ringen oder auf Schleudern, denn dazu habt Ihr die Jahre und die Stärke; von diesen Fechtmeistern aber habe ich sagen hören, daß sie eine Degenspitze durch ein Nadelöhr fädeln können.«

»Ich bin zufrieden«, antwortete Corchuelo, »daß ich aus meinem Irrtume gerissen bin und daß die Erfahrung mich die Wahrheit gelehrt hat, von der ich so weit entfernt war.« Er stand auf und umarmte den Lizentiaten, und sie waren hierauf noch bessere Freunde als vorher. Man beschloß, nicht auf den Schöppen zu warten, der nach dem Degen gegangen war, weil sie glaubten, daß er zu lange ausbleiben würde; sie machten sich also auf den Weg, um noch zeitig in dem Dorfe der Quiteria einzutreffen, aus welchem sie alle waren. Auf dem übrigen Wege setzte der Lizentiat die Trefflichkeit der Fechtkunst auseinander und bewies sie mit so vielen Worten und so vielen mathematischen Demonstrationen, daß alle völlig von der Herrlichkeit dieser Wissenschaft überzeugt wurden und Corchuelo von seiner Halsstarrigkeit nachlassen mußte.

Es war Nacht geworden; ehe sie aber das Dorf erreicht hatten, kam es allen vor, als wenn vor demselben ein Himmel voll unzähliger und glänzender Sterne wäre. Zugleich hörten sie vermengte und angenehme Töne von verschiedenen Instrumenten, als von Flöten, Handtrommeln, Harfen, Hoboen, Tamburins und Triangeln, und als sie näher kamen, sahen sie, daß an den Bäumen der Lauben, die man vor dem Dorfe aufgepflanzt hatte, viele brennende Lampen hingen, die der Wind nicht auslöschte; denn er wehte so gelind, daß er nicht Kraft hatte, die Blätter an den Bäumen zu rühren. Die Musikanten, die zur Hochzeit bestellt waren, schwärmten in einzelnen Haufen auf dem lieblichen Raume, einige tanzend, andere singend, andere die verschiedenen genannten Instrumente spielend. Es war nicht anders, als wenn auf der ganzen Wiese die Fröhlichkeit hüpfte und das Vergnügen tanzte. Viele andere waren damit beschäftigt, Gerüste zu errichten, von wo man am folgenden Tage bequem die Vorstellungen und Tänze ansehen könne, die an diesem Orte aufgeführt werden sollten, der bestimmt war, die Hochzeit des reichen Camacho wie die Totenfeier des Basilio zu begehen.

Don Quixote wollte nicht in das Dorf hineingehen, ob ihn gleich der Bauer sowohl wie der Baccalaureus darum baten; seine mehr als hinreichende Entschuldigung war, daß es Sitte der irrenden Ritter sei, lieber auf dem Felde und in Wäldern als in Häusern zu schlafen, und wenn es dort selbst unter einem goldenen Dache geschehen könnte. Hiermit entfernte er sich vom Wege ein wenig, zum großen Verdrusse des Sancho, dem die treffliche Herberge wieder in die Gedanken kam, die er in dem Kastell oder Hause des Don Diego gefunden hatte.

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 2, S. 121-126.
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