Siebzehntes Kapitel.

[336] In welchem erklärt wird, wer die Zauberer und Geißelnden waren, welche die Dueña schlugen und Don Quixote kniffen und zwickten, nebst dem Erfolge, welchen der Page hatte, der den Brief der Therese Pansa, der Frau des Sancho Pansa, überbrachte.


Es sagt Cide Hamete Benengeli, der genaueste Erforscher des kleinsten Umstandes dieser wahrhaftigen Historie, daß, als die Doña Rodriguez ihr Zimmer verließ, um in das Gemach des Don Quixote zu gehen, es eine andere Dueña hörte, die neben ihr schlief, und wie nun die Dueñas es lieben, alles zu wissen, zu hören und zu sehen, schlich sie ihr so leise nach, daß es die gute Rodriguez nicht bemerkte; und als die Dueña sah, daß sie in das Gemach des Don Quixote ging, erzählte sie es augenblicklich, um nicht von der allgemeinen Sitte abzuweichen, die alle Dueñas an sich haben, Klätscherinnen zu sein, der Herzogin, daß sich die Doña Rodriguez im Gemache des Don Quixote befinde. Die Herzogin sagte es dem Herzoge und erbat sich die Erlaubnis, daß sie und Altisidora hingehen dürften, um zu sehen, was diese Dueña vom Don Quixote wolle. Der Herzog gab es zu, und die beiden schlichen leise und behutsam Schritt vor Schritt herbei, bis sie sich an der Türe des Zimmers befanden, und zwar so dicht, daß sie alles hörten, was darin gesprochen wurde, und als die Herzogin nun hörte, daß die Rodriguez öffentlich von ihren Fontanellen sprach, konnte sie es sowenig wie Altisidora länger aushalten, sondern voller Zorn und Rachsucht stürzten sie plötzlich in das Zimmer und zwickten Don Quixote und schlugen die Dueña auf die[337] Weise, die oben erzählt worden ist, denn die Beleidigungen, welche die Schönheit und die Eitelkeit der Weiber kränken, erwecken in ihnen den größten Zorn und die Begierde, sich zu rächen.

Die Herzogin erzählte dem Herzoge, was vorgefallen war, worüber sich dieser sehr vergnügte, und die Herzogin, um ihren angefangenen Spaß fortzusetzen und sich mit Don Quixote die Zeit zu vertreiben, fertigte den Pagen ab, welcher die Dulcinea vorgestellt hatte, als sie um ihre Entzauberung bat – und an die Sancho Pansa bei den Geschäften seiner Statthalterschaft gar nicht dachte –, an Sanchos Frau Therese Pansa mit dem Briefe ihres Mannes, nebst einem anderen von ihr selbst und einer großen Schnur schöner und ausgesuchter Korallen.

Die Geschichte meldet, daß dieser Page klug und witzig war und daß er gern, in Willens, seiner Herrschaft zu dienen, nach dem Dorfe des Sancho reiste. Ehe er in dieses kam, fand er an einem Bache eine Anzahl Weiber mit Waschen beschäftigt, welche er fragte, ob sie ihm nicht sagen könnten, ob in diesem Dorfe eine Frau mit Namen Therese Pansa lebe, die Frau eines gewissen Sancho Pansa, des Stallmeisters eines Ritters Don Quixote von la Mancha. Bei dieser Frage sprang sogleich ein Mädchen auf, die auch dort wusch, und sagte: »Diese Therese Pansa ist meine Mutter, und dieser Sancho Pansa ist mein Herr Vater, und dieser Ritter ist unser Herr.«

»So kommt, Jungfrau«, sagte der Page, »und bringt mich zu Eurer Mutter, denn ich habe einen Brief und ein Geschenk von Eurem Vater.«

»Herzlich gern, lieber Herr«, antwortete das Mädchen, die ungefähr vierzehn Jahre alt zu sein schien, und ließ sogleich ihre Wäsche einer Kameradin, und ohne Schuhe anzuziehen oder die Haare aufzubinden, denn sie war barfuß und ohne Mütze, sprang sie vor dem Pferde des Pagen her und sagte: »Kommt nur, lieber Herr, unser Haus liegt am Eingange des Dorfes, und meine Mutter ist sehr ungeduldig nach Neuigkeiten, denn wir haben lange nichts vom Vater gehört.«

»Ich bringe so gute Neuigkeiten«, sagte der Page, »daß Ihr Gott dafür danken werdet.«

So kam das Mädchen springend, laufend und hüpfend in das Dorf, und ehe sie noch in das Haus hineinging, rief sie vor der Tür mit lauter Stimme: »Heraus, Mutter Therese, heraus, heraus, denn hier ist ein Herr, der Briefe und andere Sachen vom lieben Vater bringt!« Auf dies Geschrei kam ihre Mutter Therese Pansa heraus, ein Stück Werg abspinnend, in einem grauen Rocke, der wohl davon so kurz war, um die nötigsten Stellen wieder zu ergänzen, mit einem Leibchen, auch grau, und einem offenen Weiberhemde. Sie sah nicht alt aus, ob sie gleich schon über vierzig Jahre war, sondern sie war stark, derb, kräftig und braun. Als sie nun ihre Tochter sah und den Pagen zu Pferde, so fragte sie: »Kind, was ist das, wer ist der Herr?«

»Ein Diener der gnädigen Doña Theresa Pansa«, antwortete der Page, indem er mit diesen Worten vom Pferde sprang, sich mit vieler Demut vor der Señora Theresa niederwarf und sagte: »Gebt mir Eure Hand, gnädige Frau Doña Theresa, als die rechtmäßige, wahrhaftige Gemahlin des Herrn Don Sancho Pansa, unumschränkten Statthalters der Insel Barataria.«

»Ach Jesus! Stehet doch auf, laßt das bleiben«, antwortete Therese, »denn ich bin nicht vornehm, sondern eine arme Bäuerin, eine Tochter von Ackersleuten und die Frau eines irrenden Stallmeisters, aber keines Statthalters.«

»Euer Gnaden«, antwortete der Page, »ist die würdigste Gemahlin eines überwürdigsten Statthalters, und zum Beweise, daß dieses Wahrheit sei, empfange Euer Gnaden diesen Brief und dieses Geschenk.« Zugleich nahm er aus der Tasche eine Schnur Korallen mit einem goldenen Gehenke, legte sie ihr um den Hals und sagte: »Dieser Brief ist von dem Herrn Statthalter, ein anderer, den ich bei mir habe, sowie diese Korallen sind von meiner gnädigsten Herzogin, die mich zu Euer Gnaden sendet.«[338]

Therese war sowohl wie ihre Tochter erstaunt, und das Mädchen sagte: »Ich will sterben, wenn unser gnädiger Herr Don Quixote nicht dahintersteckt, der gewiß dem Vater die Statthalterei oder Grafschaft geben wird, die er ihm so oft versprochen hat.«

»So ist es«, antwortete der Page, »denn aus Rücksicht für den Herrn Don Quixote ist der Herr Sancho jetzt Statthalter der Insel Barataria, wie man aus diesem Briefe sehen wird.«

»Leset ihn nur, mein lieber Herr Edelmann«, sagte Therese, »denn ich kann wohl spinnen, aber nicht ein Körnchen lesen.«

»Ich ebensowenig«, fügte Sanchica hinzu; »aber wartet ein wenig, ich will gehen und jemanden rufen, entweder den Pfarrer selbst oder den Baccalaureus Simson Carrasco, und sie werden sehr gern kommen, um nur Neuigkeiten vom Vater zu hören.«

»Ihr braucht niemanden zu rufen, denn ich kann nicht spinnen, aber lesen, und ich will ihn lesen.« Worauf er ihn ganz vorlas, wie man ihn oben gesehen hat; darauf nahm er den andern Brief der Herzogin, der also lautete:


Liebe Therese!

Die Vorzüge des Charakters und des Geistes Eures Gemahls, Sancho Pansa, haben mich bewogen und verpflichtet, den Herzog, meinen Gemahl, zu bitten, ihm die Statthalterschaft einer von den Inseln zu geben, deren er viele besitzt. Ich vernehme, daß er wie ein Engel regiert, worüber ich mich sehr erfreue und der Herzog nicht weniger, weshalb ich dem Himmel tausendmal danke, daß ich darin nicht gefehlt habe, ihn für diese Statthalterschaft zu bestimmen; denn meine werte Therese muß wissen, daß es schwer ist, in der Welt einen guten Statthalter zu finden; und Gott soll mir beistehen, wie herrlich er regiert. Ich schicke Euch hier, meine Teure, eine Schnur Korallen mit einem goldenen Gehenke; ich wünschte, daß es orientalische Perlen wären; aber wer dir ein Brot schenkt, wünscht wenigstens deinen Tod nicht! Es wird eine Zeit kommen, in der wir mehr Bekanntschaft und Mitteilung haben werden, und Gott weiß, was geschieht. Empfehlt mich Sanchica, Eurer Tochter, und sagt ihr von mir, daß sie sich bereit halten könne, denn ich will sie vornehm verheiraten, wenn sie am wenigsten daran denkt. Ihr sollt in Eurem Dorfe große Eicheln haben, schickt mir doch ein oder zwei Dutzend, denn ich werde sie sehr schätzen, da sie von Eurer Hand kommen, und schreibt mir weitläuftig, ob Ihr wohl seid und wie es Euch geht, denn wenn Ihr etwas nötig habt, so braucht Ihr nur den Mund aufzutun, und man wird Euch den Mund sogleich voll geben. Und Gott möge mir Euch erhalten. Von hier,


Eure Freundin, die Euch von ganzer Seele liebt,

die Herzogin


»Ei!« sagte Therese, als sie den Brief gehört hatte, »o was ist das für eine liebe, was für eine umgängliche, was für eine herablassende Dame! Ja, für solche Damen will ich durchs Feuer laufen, aber dagegen die Edelfrauen, wie sie hier im Orte Mode sind, die meinen, daß, weil sie von Adel sind, sie kein Lüftchen anwehen soll, die mit solcher Pracht in die Kirche kommen, als wenn sie gekrönte Königinnen wären; ist es doch nicht anders, als wenn sie es sich für eine Schande hielten, eine Bauerfrau nur anzusehen; da sehe mir aber nur einer diese vortreffliche Dame, die doch eine Herzogin ist und mich ihre Freundin nennt[339] und mit mir wie mit ihresgleichen umgeht; o wäre sie doch dem allerhöchsten Kirchturme gleich, den es in ganz la Mancha gibt! Und was die Eicheln anbetrifft, lieber Herr, so will ich der gnädigen Frau eine ganze Metze schicken, denn man hat sie hier so groß, daß sie sich sehen lassen dürfen, denn es ist zum Verwundern. Und nun, Sanchica, sorge gleich für den Herrn, sieh nach seinem Pferde und nimm im Stalle Eier aus und schneide ein rechtschaffenes Stück Schinken ab und gib ihm zu essen wie einem Prinzen, denn die guten Nachrichten, die er uns gebracht hat, sowie sein allerliebstes Gesichtchen verdienen das Beste; ich will indessen gehen und meinen Nachbarinnen die Zeitung von unserm Glücke erzählen, auch dem alten Herrn Pfarrer und dem Meister Niklas, dem Barbier, denn sie sind immer große Freunde von deinem Vater gewesen.«

»Gut, Mutter«, antwortete Sanchica; »aber gebt mir nur die Hälfte von dieser Schnur, denn ich halte die gnädige Herzogin doch für keine solche Närrin, daß sie sie Euch ganz geschickt haben sollte.«

»Sie ist ganz für dich, Kind«, antwortete Therese; »aber laß sie mich nur etliche Tage am Halse tragen, denn es ist ordentlich, als wenn sie mir das Herz erfreut.«

»Ihr werdet Euch auch erfreuen«, sagte der Page, »wenn Ihr das Paket sehen werdet, das ich in diesem Mantelsacke habe, worin ein Kleid vom feinsten Tuche ist, welches der Statthalter nur einen Tag auf der Jagd getragen hat und das er ganz der Señora Sanchica schickt.«

»Daß er doch tausend Jahre lebe«, antwortete Sanchica, »und der nicht weniger, der es mir gebracht hat, und wenn es auch zweitausend Jahre sein müßten.«

Therese ging nun mit den Briefen und mit der Schnur um den Hals aus dem Hause, indem sie immer auf die Briefe schlug, als wenn sie eine Handtrommel gewesen wären, so begegneten ihr von ungefähr der Pfarrer und Simson Carrasco, sie fing an zu springen und sagte: »Meiner Seel, aus ist es mit der Armut, wir haben ein Statthalterschaftchen! Jaja, nun soll sich's nur eine Adelige herausnehmen, wenn sie auch noch so hoch aufgestutzt ist; ich will ihr schon den Kopf zurechtsetzen!«

»Was ist das, Therese Pansa! Welche Torheiten sind das, und was sind dieses für Papiere?«

»Keine Torheiten weiter, als daß das Briefe von Herzoginnen und von Statthaltern sind, und was ich um den Hals habe, sind herrliche Korallen; die Ave-Marias und die Paternosters sind von geschlagenem Golde, und dann bin ich eine Statthalterin.«

»Gott mag uns helfen, wir verstehen Euch nicht, Therese, wir wissen nicht, was Ihr sprecht.«

»So könnt Ihr es hier sehen«, antwortete Therese und gab ihnen die Briefe. Der Pfarrer las sie laut, daß Simson Carrasco sie hören konnte, und Simson und der Pfarrer sahen sich einander an, voll Erstaunen über das, was sie gelesen hatten; und der Baccalaureus fragte, wer diese Briefe gebracht habe. Therese antwortete, sie möchten mit ihr nach Hause kommen und den Boten sehen, denn es sei ein Junge wie eine goldene Fichte, der noch ein anderes Geschenk bei sich habe, das wohl mehr als noch einmal soviel wert sei. Der Pfarrer nahm die Korallen vom Halse, betrachtete sie und betrachtete sie wieder, und da er sich versichert hatte, daß sie echt waren, verwunderte er sich von neuem und sagte: »Bei meinem Amte, ich weiß nicht, was ich sagen noch was ich von diesen Briefen und diesen Geschenken denken soll; auf der einen Seite sehe ich die Echtheit dieser Korallen, und auf der andern lese ich, daß eine Herzogin bittet, man möchte ihr zwei Dutzend Eicheln schicken.«

»Bringe mir einer einmal diese Rechnung heraus!« sagte hierauf Carrasco; »also dann kommt, daß wir den Überbringer dieses Schreibens sehen, daß wir den Unbegreiflichkeiten näher nachfragen, die wir nicht einsehen können.«

»Sie taten es, und Therese kehrte mit ihnen um. Sie fanden den Pagen, indem er für sein Pferd etwas Hafer schwang, und Sanchica, die ein Stück Schinken herunterschnitt, um es mit Eiern zu backen und[340] es dem Pagen zu essen zu geben, dessen Äußeres und guter Anzug beiden sehr gefiel. Nachdem sie sich gegenseitig höflich begrüßt hatten, bat ihn Simson, ihnen so wohl Nachrichten von Don Quixote als von Sancho Pansa mitzuteilen, denn sie hätten zwar die Briefe des Sancho und der Frau Herzogin gelesen, wären aber noch immer in Verwirrung und könnten nicht begreifen, was es mit der Statthalterschaft des Sancho auf sich habe, vollends über eine Insel, da doch alle oder die meisten, die im Mittelländischen Meere lägen, Seiner Majestät zugehörten.«

Worauf der Page antwortete: »Daß der Herr Sancho Pansa Statthalter sei, leidet keinen Zweifel, ob es aber eine Insel ist oder keine, die er regiert, darauf will ich mich nicht einlassen; genug, daß es ein Ort ist, der mehr als tausend Einwohner enthält. Was aber die Eicheln betrifft, so muß ich sagen, daß meine Herzogin so gnädig und herablassend ist, daß es nicht auffällt, wenn sie zu einer Bauerfrau schickt und sie um Eicheln bittet; es hat sich wohl getroffen, daß sie einmal zu einer Nachbarin geschickt hat, um von ihr einen Kamm zu borgen: denn Ihr müßt wissen, meine Herren, daß die Damen in Aragon, wenn sie auch noch so vornehm sind, sich nicht so zeremoniös und stolz wie die kastilianischen Damen betragen; sondern sie behandeln alle Leute mit mehr Herablassung.«

Mitten in diesem Gespräch kam Sanchica mit etlichen Eiern herbei und fragte den Pagen: »Sagt mir doch, lieber Herr, trägt denn mein Herr Vater viel leicht angehäkelte Hosen, seitdem er Statthalter ist?«

»Ich habe darauf nicht achtgegeben«, antwortete der Page, »aber er trägt sie ohne Zweifel.«

»Ach du liebster Gott!« versetzte Sanchica, »o wie muß das das Herz erquicken, meinen Vater mit Pluderhosen zu sehen! Ist es nicht recht besonders, daß ich, seit ich auf der Welt bin, das schrecklichste Verlangen habe, meinen Vater in angehäkelten Hosen zu sehen?«

»Und wie wird ihn das gnädige Fräulein mit diesen Dingen sehen!« antwortete der Page; »meiner Seel, er legt es darauf an, mit einer hohen Mütze zu reisen, wenn seine Statthalterschaft nur zwei Monate dauert.«

Der Pfarrer und der Baccalaures sahen wohl, daß der Page sie nur zum besten hatte; aber die Feinheit der Korallen und das Jagdkleid, welches Sancho schickte – denn Therese hatte ihnen dieses schon gezeigt –, machte sie immer irre; sie mußten aber über Sanchicas Wunsch lachen, noch mehr aber, als Therese sagte: »Herr Pfarrer, horcht mir doch aus, ob es hier nicht einen gibt, der nach Madrid geht oder nach Toledo, daß er mir einen runden Reifrock kauft, recht und gerecht, nach der Mode, und so schön man ihn nur haben kann, denn meiner Seel, ich will der Statthalterschaft meines Mannes, soviel ich nur immer kann, Ehre machen, und, jaja, es kann mir wohl gar einfallen, daß ich an unsern Hof gehe und mir eine Kutsche anschaffe wie alle andern, denn die einen Statthalter zum Manne hat, kann das wohl durchsetzen und auf sich wenden.«

»Das wollt ich glauben!« sagte Sanchica, »wollte Gott, daß das doch lieber heute als morgen geschähe, wenn auch alle, die mich mit meiner Frau Mutter in der Kutsche sitzen sähen, sagen sollten: Ei seht doch das Ding an, die Tochter von einem Knoblauchsfresser, wie sie dasitzt und sich in der Kutsche reckt, als wenn sie eine Päpstin wäre. Aber mögen sie im Dreck laufen, wenn ich in meiner Kutsche sitze und die Beine über der Erde halte. Ich schere mich den Henker um alle Lästermäuler in der ganzen Welt; sitz ich nur weich, ist mir alles Schwatzen gleich. Hab ich nicht recht, Mutter?«

»Und wie hast du recht, mein Kind«, antwortete Therese, »und alles dieses Glück, ja noch mehr hat mir mein lieber Sancho prophezeit; und du wirst sehen, Tochter, daß er mich gewiß noch zur Gräfin macht, denn alles Glück will seinen Anfang haben, und wie ich oft von deinem lieben Vater gehört habe – der dein Vater, aber auch ein Vater von Sprichwörtern ist –, wenn sie dir schenken die Kuh, so lauf mit dem Stricke zu; wenn sie dir eine Statthalterschaft geben, so nimm sie, wenn sie dir eine Grafschaft geben,[341] so laß sie nicht fahren, und wenn sie dir ein tüchtiges Geschenk hinreichen, so stopf es dir in den Hals! Ei, das wäre mir recht, daß man sich schlafen legte und dem Glück und allen Herrlichkeiten nicht aufmachte, wenn sie an die Türe klopfen.«

»Und was geht's mich weiter an«, fügte Sanchica hinzu, »mögen sie doch reden, was sie wollen, wenn ich in meiner Pracht und majestätisch dasitze; grämt sich der Hund, weil er ist bunt?«

Als der Pfarrer dies hörte, sagte er: »Ich muß durchaus glauben, daß die ganze Familie der Pansas mit einem Ranzen voll Sprichwörter im Leibe zur Welt kommt; ich habe noch keines von ihnen gesehen, der sie nicht zu allen Zeiten um sich streut und bei allem, was er spricht.«

»Das ist wahr«, sagte der Page, »denn der Statthalter Sancho sagt bei jedem Schritte welche, und wenn sie auch nicht immer passen, so machen sie doch Vergnügen, und meine gnädige Herzogin und der Herzog erheben sie sehr.«

»Und Ihr behauptet immer noch, mein werter Herr«, fragte der Baccalaureus, »daß es mit der Statthalterschaft des Sancho ernst sei und daß es eine Herzogin in der Welt gebe, die diese Geschenke und Briefe schicke? denn wir, ob wir gleich die Geschenke gesehen und die Briefe gelesen haben, können es doch nicht glauben, sondern meinen, es sei eins von den Dingen, welche unser Landsmann Don Quixote immer nur für Wirkungen der Zauberei erklärt hat; und darum möchte ich auch sagen, daß ich Euch anfühlen und anrühren möchte, um zu sehen, ob Ihr ein gespenstischer Abgesandter seid oder ein Mensch von Fleisch und Bein.«

»Meine Herren, ich weiß von mir nichts anderes zu sagen«, antwortete der Page, »als daß ich ein wahrhaftiger Abgesandter bin und daß der Herr Sancho Pansa ein wirklicher Statthalter ist und daß mein gnädiger Herzog und die Herzogin ihm eine Statthalterschaft geben konnten und sie ihm gegeben haben und daß ich habe erzählen hören, daß dieser Sancho Pansa sich dabei überaus herrlich nimmt; ob hierbei eine Bezauberung zum Grunde liegt oder nicht, mögt Ihr unter Euch selbst ausmachen, denn ich kann bei dem Eide, den ich tun will, nichts anderes sagen, und ich schwöre bei dem Leben meiner Eltern, welche noch leben und die ich sehr liebe und verehre.«

»Das kann alles wohl sein«, versetzte der Baccalaureus, »aber dubitat Augustinus.«

»Zweifle, wer zweifeln will«, antwortete der Page; »was ich gesagt habe, ist die Wahrheit, die immer über der Lüge bleiben wird, wie Öl über dem Wasser, wo nicht, ›operibus credite et non verbis‹; gehe einer von diesen Herren mit mir und sehe mit seinen eigenen Augen, was er seinen Ohren nicht glauben will.«

»Ich will mitgehen«, sagte Sanchica; »nehmt mich, lieber Herr, hinten auf Euer Pferd, denn ich ritte gar zu gern mit, um meinen Herrn Vater zu sehen.«

»Die Töchter der Statthalter dürfen nicht so allein die Landstraßen bereisen, sondern von Kutschen und Sänften begleitet und einer großen Anzahl ihrer Bedienten.«

»Mein' Seel'«, antwortete Sanchica, »ich reite ebensogern auf einem Esel, als ich in einer Kutsche fahre. Wer wird so viele Umstände machen.«

»Schweig, Mädchen«, sagte Therese, »denn du weißt nicht, was du sprichst, und dieser Herr hat recht, denn wie die Zeiten, so die Sitten: so lange Sancho, Sancha, nun Statthalter, Dame; und ich glaube, ich rede vernünftig.«

»Vernünftiger, als die Señora Therese glaubt«, sagte der Page, »aber gebt mir zu essen und fertigt mich bald ab, denn ich will mich noch heut abend auf den Rückweg machen.«

Worauf der Pfarrer sagte: »Lieber Herr, nehmt lieber bei mir vorlieb, denn die Frau Therese hat mehr den guten Willen als Vermögen, einen so edlen Gast zu bewirten.«[342]

Der Page entschuldigte sich, gab aber endlich doch, zu seinem eigenen Besten, seine Einwilligung, und der Pfarrer nahm ihn sehr gern mit sich, um Gelegenheit zu haben, sich umständlich nach Don Quixote und dessen Begebenheiten zu erkundigen. Der Baccalaureus erbot sich, für Therese die Antworten auf die Briefe zu schreiben; sie wollte aber nicht, daß sich der Baccalaureus in ihre Sachen menge, weil sie ihn für einen Spötter hielt, sie gab daher einem Chorknaben, welcher schreiben konnte, einen Kuchen und zwei Eier, der ihr zwei Briefe schrieb, einen für ihren Mann und einen für die Herzogin, die sie ihm ganz diktierte und die nicht die schlimmsten sind, die in dieser großen Historie vorkommen, wie man weiter unten sehen wird.

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 2, S. 336-343.
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