An Fouqué von Hitzig

[16] Da haben wir denn nun die Folgen Deines verzweifelten Entschlusses, die Schlemihlshistorie, die wir als ein bloß uns anvertrautes Geheimnis bewahren sollten, drucken zu lassen, daß sie nicht allein Franzosen und Engländer, Holländer und Spanier übersetzt, Amerikaner aber den Engländern nachgedruckt, wie ich dies alles in meinem gelehrten Berlin des Breiteren gemeldet; sondern, daß auch für unser liebes Deutschland eine neue Ausgabe, mit den Zeichnungen der englischen, die der berühmte Cruikshank nach dem Leben entworfen, veranstaltet wird, wodurch die Sache unstreitig noch viel mehr herum kommt. Hielte ich Dich nicht für Dein eigenmächtiges Verfahren (denn mir hast Du 1814 ja kein Wort von der Herausgabe des Manuskripts gesagt) hinlänglich dadurch bestraft, daß unser Chamisso bei seiner Weltumsegelei, in den Jahren 1815 bis 1818, sich gewiß in Chile und Kamtschatka, und wohl gar bei seinem Freunde, dem seligen Tameiamaia auf O-Wahu darüber beklagt haben wird, so forderte ich noch jetzt öffentlich Rechenschaft darüber von Dir.[16]

Indes – auch hievon abgesehen – geschehn ist geschehn, und Recht hast Du auch darin gehabt, daß viele, viele Befreundete in den dreizehn verhängnisvollen Jahren, seit es das Licht der Welt erblickte, das Büchlein mit uns lieb gewonnen. Nie werde ich die Stunde vergessen, in welcher ich es Hoffmann zuerst vorlas. Außer sich vor Vergnügen und Spannung, hing er an meinen Lippen, bis ich vollendet hatte; nicht erwarten konnte er, die persönliche Bekanntschaft des Dichters zu machen, und, sonst jeder Nachahmung so abhold, widerstand er doch der Versuchung nicht, die Idee des verlornen Schattens in seiner Erzählung: »Die Abenteuer der Sylvesternacht«2, durch das verlorne Spiegelbild des Erasmus Spikher, ziemlich unglücklich zu variieren. Ja – unter die Kinder hat sich unsre wundersame Historie ihre Bahn zu brechen gewußt; denn als ich einst, an einem hellen Winterabend, mit ihrem Erzähler die Burgstraße hinaufging, und er einen über ihn lachenden, auf der Glitschbahn beschäftigten Jungen unter seinen Dir wohlbekannten Bärenmantel nahm und fortschleppte, hielt dieser ganz stille; da er aber wieder auf den Boden niedergesetzt war, und in gehöriger Ferne von den, als ob nichts geschehen wäre, weiter Gegangenen, rief er mit lauter Stimme seinem Räuber nach: »Warte nur, Peter Schlemihl!«

So, denke ich, wird der ehrliche Kauz auch in seinem neuen, zierlichen Gewande viele erfreuen, die ihn in der einfachen Kurtka von 1814 nicht gesehen; diesen und jenen aber es außerdem noch überraschend sein, in dem botanisierenden, weltumschiffenden, ehemals wohlbestallten Königlich Preußischen Offizier, auch Historiographen des berühmten Peter Schlemihl, nebenher einen Lyriker kennen zu lernen,3 der, er möge malaiische oder litauische Weisen anstimmen, überall dartut, daß er das poetische Herz auf der rechten Stelle hat.

Darum, lieber Fouqué, sei Dir am Ende denn doch noch herzlich gedankt für die Veranstaltung der ersten Ausgabe, und empfange mit unsern Freunden meinen Glückwunsch zu dieser zweiten.

Berlin, im Januar 1827

Eduard Hitzig

2

»Fantasiestücke in Callots Manier«, im letzten Teil. Vergl. auch: »Aus Hoffmanns Leben und Nachlaß«. Bd. II. S. 112.

3

Die zweite Ausgabe des Peter Schlemihl hatte einen Anhang von Liedern und Balladen des Dichters, worauf sich dies bezog.

Quelle:
Adalbert von Chamisso: Sämtliche Werke. Band 1, München [1975], S. 16-17.
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