17. Die drei Wünsche.

[59] Mündlich in Seesen.


Es war einmal ein Graf, der hatte einen stolzen und unbändigen Sohn, welcher seinem Vater eitel Herzeleid machte und seiner Mutter noch viel mehr. Da sagte der Graf eines Tags zu ihm: »Hier hast du zwei Beutel mit Dukaten; nun komm mir nicht wieder vor die Augen.« Der junge Graf gieng; und als er in die Stadt kam, sprach er zum Wirth: »Kann ich hier wohl logieren?« Der Wirth neigte sich, denn der junge Graf war aufs schönste angezogen, bis auf die Erde und sagte: »Tretet näher, gnädiger Herr; mein Haus steht euch zu Diensten.« So gieng er denn hinein, richtete sich aufs beste und bequemste ein und lebte in Saus und Braus. Das dauerte so einige Wochen; da eines Tages reiste er ab, und als er wiederkam, saß neben ihm in der Kutsche eine junge Gräfin, das war seine Frau. Hatte[59] er vorher Geld gebraucht, jetzt konnte er's noch beßer: unter Sammt und Seide that's die Gräfin nicht, gute Speise und guten Trank mochten beide gern, und die Zofen und die Lakaien aßen auch lieber Kuchen als Schwarzbrod.

Der Sommer war vorbei, und als die letzten gelben Blätter von den Bäumen flogen, giengen auch die letzten Dukaten ihre Straße, und als die ersten Schneeflocken gegen die Fensterscheiben schlugen, jagte der Wirth das gräfliche Paar aus dem Hause; die Zofen und die Lakaien jagte er nicht mit fort, die waren schon mit den Störchen weggezogen. So versetzten sie denn all ihr schönes Zeug und wohnten dicht unterm Hahnebalken.

Eines Tages saßen sie da und sahen einander an, denn jetzt hatten sie sich lieb, und gedachten der alten Zeit und wünschten sie zurück, sie wollten dann ganz anders leben und sparen und haushalten; da plötzlich trat eine alte Hexe in die Thür und sprach: »Ich habe euer Jammern gehört und will euch helfen: drei Wünsche geb' ich euch frei; benutzet sie wohl!« Die Gräfin that schon den Mund auf; da aber fiel ihr die Hexe in die Rede und sagte: »Ich gebe euch vierzehn Tage Bedenkzeit; übereilt euch nicht!« Und sie dachten hin und her, konnten sich aber gar nicht einigen.

Nun begab sich's, daß sie einmal über Feld giengen einem Dorfe zu. Unterwegs wurden sie hungerig, setzten sich ins grüne Gras und verzehrten ihr Butterbrod. Da seufzte die Frau: »Ach, hätten wir doch jeder einen Käse dazu!« Flugs lag jedem ein Käse auf dem Butterbrod. Woher die gekommen, merkten beide mit Schrecken, und so sagte denn der Mann ärgerlich: »Ei, so wollte ich doch, daß dir die Käse in den Ohren säßen!« Und es geschah also: in jedem Ohr saß einer; und sie saßen so tief, daß die arme Gräfin nichts gehört hätte, und wäre ein Donner neben ihr in den Boden gefahren, und sie saßen so fest, daß sie nicht loslaßen wollten, so sehr der Graf zerrte und zupfte. So mußte sich dieser denn entschließen, sie wieder von dort wegzuwünschen. Er that es, und die Käse lagen wieder auf dem Butterbrod. Als sie da nun saßen und weinten – sie schalten aber nicht auf einander, denn sie hatten sich jetzt sehr lieb –, raßelte eine prächtige[60] Kutsche daher; und wer sah daraus hervor? Die alte Gräfin war's, welcher der alte Graf gestorben war, und der es nun so öde und einsam im Schloße vorkam. Als sie den Sohn sahe, den sie schon lange gesucht hatte, es war ihr einziges Kind, nahm sie beide mit in den Wagen und aufs Schloß, und da haben sie lange glücklich mit einander gelebt. Die Hexe ist ihnen zwar nicht wieder erschienen; sie haben sie aber auch nicht gerufen.

Quelle:
Carl und Theodor Colshorn: Märchen und Sagen, Hannover 1854, S. 59-61.
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