51. Zwei Augen zu viel.

[159] Mündlich.


In Hiddestorf war vor nicht langer Zeit eine Wittwe, die konnte des Sonntags auf eine merkwürdige Weise das leckerste Eßen kochen; denn wenn die Mägde des Morgens zur Kirche giengen, hatte sie noch kein Feuer angemacht, kein Gemüse gereinigt und noch nicht einmal Fleisch geholt, und wenn die Kirche aus war, stand jedesmal die beste Mahlzeit auf dem Tische. Weil das aber unmöglich mit rechten Dingen zugehen konnte, versteckte sich eines Sonntags in der Frühe ein Knecht hinter dem großen Faße in der Küche, um der Frau das Spiel abzulauern. Es mochte eben die Predigt angegangen sein, da rumorte es im Schornsteine, der Teufel kam herunter und liebkoste der Frau. Als er ihr darauf die Töpfe füllen wollte, hielt er plötzlich stille und sprach: »Frau, es sind hier zwei Augen zu viel!« Diese verneinte es. »Es sind hier zwei Augen zu viel!« sagte er noch einmal; da aber die Frau ihn verspottete, füllte er die Töpfe und fuhr durch den Schornstein hinaus. Als des Mittags alle bei Tische saßen, sprach der Knecht: »Ich mag nicht eßen; denn ich weiß, daß es vom Teufel kommt!« Kaum hatte er das Wort gesagt, da kam der Schwarze durchs Fenster, faßte die Frau beim Schopfe, drehte ihr den Hals um und flog mit ihr zum Fenster hinaus.

Quelle:
Carl und Theodor Colshorn: Märchen und Sagen, Hannover 1854, S. 159-160.
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