71. Das Todtebeindli.

[193] Haupt's Zeitschrift f.d.A. 3. Band.


'S isch einisch e Künig gstorbe; si Frau und zweu Chind sind no am Läbe blibe, es Meiteli und es Büebli. Do händ se einisch d' Mueter gfrogt, weles von ene daß einisch müeß Künig wärde. Do seit se zue-n-ene: »Liebe Chind, gönd jetze zämme i Wald uße und suechet das Blüemeli, wo-n-ech do zeige, und das, wo's von ech zerst findt, das mueß einisch Künig wärde.« Do sind di zweu zämme gange, und im Wald sind se bim Sueche e chli uß enand cho, und 's Meiteli het 's Blüemeli[193] zerst gfunde. Do denkt's, es well sim Brüederli no-n-e chli warte, und lit näbem Wald i Schatte, nimmt 's Blüemeli i d' Hand und schloft i Gotts Namen i. Derwile chunt 's Büebli au a das Örtli, aber 's Blüemeli het er nonig gfunde gha. Wo-n-ers do aber im Händeli vo sim Schwösterli gseh het, so chunt em öbbis Schröckeligs z' Sinn: »I will mis Schwösterli ermorde un em 's Blüemeli neh und hei goh mit, und denn wird i Künig.« Denkt und tho: er het 's tödt und im Wald verscharret und Härd drüber deckt, und kei Mönsch het nüt dervo gwüßt. No mengem, mengem Johr isch e Hirtebüebli dert uf der Weid gsi mit de Schöflene und findt es Todtebeindli am Bode vo dem Meiteli; do macht er e par Löchli dri wie amene Flötli und blost dri. Do het das Beindli gar erschröckli trurig afoh singe de ganz Gschicht, wie 's Meiteli vom Brüederli umbracht worden isch: me het möge de hälle Thräne briegge, wemme das Lied ghört het. Do goht einisch, wo das Büebli so gflötet het, e Ritter dert verby; dä het em das Flötli abgchauft und isch dermit im Land ummezoge und het an allen Orte uf dem Beindli gspilt. Einisch het do au die alte Künigi dem Ritter zueglost und isch ganz trurig worde und het der Sohn abem Thron gstoße und briegget erer Läbtig.

Quelle:
Carl und Theodor Colshorn: Märchen und Sagen, Hannover 1854, S. 193-194.
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