Zehntes Kapitel.

Oder man wird unter anderen Dingen die Art finden, die Zeit zu tödten.


Wie sehr ich auch Gefallen an der Moral fand, so fing ich mich dennoch an bei Almaide zu langweilen, als Mocles sie verführte. Einen Tag später wäre ich mit der Überzeugung fortgegangen, dass es in Agra wenigstens zwei gefühllose Frauen gibt: Glücklicherweise bewahrte mich meine Geduld vor einem falschen Gedanken.

Nachdem ich Almaide verlassen hatte, irrte ich lange herum; die Lächerlichkeiten und Laster einer Art, die mir schon bekannt waren, versprachen mir wenig Vergnügen,[209] und ich vermied sorgfältig jene Häuser, wo alles ein anständiges und geregeltes Aussehen hatte.

Meine Irrfahrten führten mich in eine Vorstadt von Agra, welche aus sehr verzierten Häusern bestand; das, für welches ich mich entschied, gehörte einem jungen Herrn, der nicht darin wohnte, der aber manchmal incognito dahin kam.

Des anderen Tages, als sich meine Seele im Sopha niederließ, sah ich gegen Abend eine Dame hereinkommen, welche ich nach der Pracht und noch mehr ihrem edlen Aussehen nach für eine Frau von sehr hohem Range hielt.

Meine Augen waren von ihren Reizen geblendet; noch auffallender als Phenime, hatte sie dieselbe Bescheidenheit und eine so sanfte Physiognomie, dass ich sie nicht ansehen konnte, ohne mich für sie lebhaft zu interessieren.

Nach dem Aussehen, wie sie in das Kabinet, wo ich war, eintrat, schien es, dass sie über den Schritt, den sie gemacht, erstaunt war; sie sprach nur zitternd mit dem Sklaven, der sie führte, und ohne die Augen zu erheben,[210] setzte sie sich träumerisch auf mich nieder, aber mit so viel Sehnsucht, dass es mir nicht schwer wurde zu errathen, welche die Regung war, die sie einnahm.

Kaum war sie allein und sich selbst überlassen, so gab sie sich den traurigsten Betrachtungen hin; nachdem sie mehrmals geseufzt hatte, füllten sich ihre schönen Augen[211] mit Thränen. Ihr Schmerz war eher zärtlich als lebhaft, sie schien eher ein Unglück zu beweinen als dasselbe zu fürchten.

Kaum hatte sie ihre Thränen getrocknet, als ein sehr schöner junger Mann, mit Ungestüm und singend, in das Kabinet trat. Seine Gegenwart schien sie gänzlich zu verwirren; sie erröthete, ihre Augen schweiften über ihn hinweg, und indem sie ihr Gesicht verbarg, versuchte sie ihm ihre Verlegenheit zu verheimlichen.

Er näherte sich ihr zwar ohne Zärtlichkeit, aber auf die galanteste Weise und warf sich ihr zu Füßen.

»Ah, Zephis,« sagte er zu ihr, »täuschen mich meine Augen nicht, ist es wirklich Zephis, die ich hier sehe? bist Du es? Du, die ich anbete, und worauf zu hoffen ich fast nicht wagte! Wie, bist Du es, die ich in meinen Armen halte?«

»Ja,« antwortete sie seufzend, »ich bin es, die niemals hierherkommen sollte, und die vor Scham stirbt, dennoch hier zu sein!«

»Wie lieb machst Du mir diese Einsamkeit,« rief er aus, ihr die Hand küssend.[212]

»Ah,« antwortete sie, »wie sehr werde ich es eines Tages bereuen.«

»Die Beweise, welche ich Dir hier von meiner Schwachheit gebe, werden für mich um so[213] grausamer sein, je mehr sie aus Deinem Gedächtnis schwinden werden; und sie werden aus Deinem Gedächtnisse entschwinden, Mazulhim; oder wenn Du Dich daran erinnerst, so wird es nur geschehen, um mich zu verachten, für das, was ich für Dich gethan habe.«

»Aber, welch ein Irrthum!« rief er in einem scherzhaften Tone aus, »wie kannst Du, so schön wie Du bist, Dir solche Chimären bilden; in Wahrheit weißt Du, dass ich nie jemanden so zärtlich geliebt habe, als Dich; und Du zweifelst an meinen Gefühlen!«

»Nein, ich habe nicht das Glück, daran zu zweifeln,« versetzte sie traurig; »ich weiß, dass Du weder beständig noch treu sein kannst; ich zweifle selbst daran, dass Du zu lieben verstehst; dennoch liebe ich Dich, ich habe es Dir gesagt, und ich komme an diesen Ort, um es Dir zu wiederholen. Ich fühle meine Schwäche vollständig und bedauere mich selbst deshalb, ich sehe alle Folgen davon, und dennoch gebe ich nach. Meine Vernunft zeigt mir alles, was ich zu fürchten habe, meine Liebe lässt mich allem trotzen.«[214]

»Aber in der That,« antwortete er, »weißt Du denn, dass Du mir grausam Unrecht thust, nicht zu sehen, wie zärtlich ich bin?«

»Ah, Mazulhim,« rief sie aus »so fühlst Du, was ich Dir opfere, und so beruhigst Du mein Herz!«

»Ich liebe Dich, Mazulhim; wenn Du mich besser kenntest, so würdest Du nicht daran zweifeln. Dieses Herz, welches Dich anbetet (Du kannst darüber nicht in Ungewissheit sein), es hat nie Jemanden anderen angehört, als Dir; sage mir, dass Du wünschest, es sei immer so. Wenn Du wüsstest, wie sehr ich es nöthig habe zu glauben, Du liebest mich, dann würdest Du Dich nicht weigern, es mir zu sagen; selbst wenn es nur aus Menschlichkeit wäre. Du allein machst mein Glück aus, Dich zu sehen, Dich immer zu lieben, das ist mein einzig Gut und mein einziger Wunsch. Wäre es denn wirklich wahr, dass Du unfähig seist, an mich so zu denken, wie ich an Dich denke?«

»Ah!« rief er aus, »ich widerspreche Dir ...«

»Mazulhim,« unterbrach sie »überlasse[215] es mir, Dich zu rechtfertigen, ich werde damit besser zu Stande kommen, als Du selbst, denn ich habe mehr Verlangen zu glauben, dass Du mich liebst, als Du, um mich davon zu überzeugen.«

»Madame,« versetzte er mit ernster und gerührter Stimme »ich fühle mich genug unglücklich, dass die Beweise meiner Zärtlichkeit, die ich Dir seit sechs Monaten zu liefern trachtete, Dich davon so wenig überzeugt haben.«

»Ich fühle wohl, dass eine außerordentliche Liebe, wie die, welche ich das Glück hatte, Dir einzuflößen, nie ohne ein wenig Misstrauen besteht; wenn das, welches Du mir beweisest, nur mich allein quälen möchte,« fügte er hinzu, indem er sie in seine Arme schloss, »würde ich mich weit weniger beklagen, und das Vergnügen, Dich so zart zu finden, möchte mich vergessen machen, wie sehr Du ungerecht bist; aber es handelt sich da um Deine Ruhe, und wenn Du von meinen Gefühlen eine Ahnung hättest, so würdest Du leicht glauben, dass mir Deine Ruhe unendlich viel theuerer ist, als die meine.«[216]

Indem er diese Worte zu Ende sprach, wollte er sich mit Zephis die zärtlichsten Freiheiten erlauben, aber sie wehrte sich auf eine so entschiedene Art, dass er nicht mehr glauben konnte, sie ziere sich nur zum Schein; er schaute sie mit Erstaunen an.

»Nun was! Zephis,« sagte er ihr, »so beweisest Du mir Deine Zärtlichkeit? sollte ich mich auf so viel Gleichgiltigkeit vorbereiten?«

»Mazulhim,« sagte sie weinend, »höre mich gütigst an. Ich bin hierhergekommen, obzwar ich wohl wusste, wessen ich mich aussetze, und Du würdest mich weniger Thränen vergießen sehen, wenn ich nicht entschlossen wäre, mich Deiner Zärtlichkeit hinzugeben; ich liebe Dich, und wenn ich den Regungen meines Herzens nachgebe, so wäre ich jetzt in Deinen Armen; aber Mazulhim, dazu ist es noch Zeit, und wir sind noch nicht genug vertraut miteinander. Es wäre zu jeder Zeit schrecklich für mich, zu erfahren, dass Du mich nicht liebst; aber bedenke, wie sehr ich mich über Dich zu beklagen hätte, wenn ich es dann erst erführe,[217] bis meine Schwäche Dir nichts mehr zu wünschen übrig ließe.«

»Von dem Wunsche zu gefallen beherrscht, durch die Erfolge, welche nicht zu leugnen sind, an Unbeständigkeit gewöhnt, suchst Du nur zu siegen, und willst nicht lieben.«

»Vielleicht hast Du meinen Besitz ohne Neigung für mich angestrebt. Prüfe Dein Herz genau, Du bist Herr meines Geschickes, und ich verdiene es nicht, dass Du dasselbe unglücklich gestaltest. Wenn es nicht die zärtlichste Liebe ist, die Dich an mich fesselt, mit einem Worte, wenn Du mich nicht so liebst, wie ich Dich liebe, so fürchte Dich nicht, es mir zu gestehen; ich werde nicht erröthen, das Opfer der Liebe zu sein, aber ich würde vor Schmach und Schmerz sterben, wenn ich nur als Gegenstand einer Laune angesehen wäre.«

Obzwar diese Worte und die Thränen, welche Zephis vergoss, Mazulhim nicht rührten, so ließen sie ihn dennoch einen weniger kalten Ton anschlagen, als den, welchen er früher ihr gegenüber annahm.

»Wie sehr betrüben mich Deine Befürchtungen,« sagte er ihr, »aber wie wenig[218] verdiene ich sie! Ist es möglich, dass Du Dir einbildest, ich stelle Dich mit jenen verächtlichen Wesen gleich, die allein mich bis zu diesem Tage beschäftigten? Ich gestehe, dass die Art, nach der ich lebte, zu Deinem Verdachte Grund geben konnte. Zephis, wolltest Du, dass ich die Schmach noch dazu fügte, jene Frauen, welche meine Mußestunden ausgefüllt, geliebt zu haben?«

»Es ist wahr, dass ich der Liebe auswich, was konnte ich besseres thun, um ihr zu entgehen, als mit solchen Frauen, die keine Sitten und keine Grundsätze hatten, zu leben, welche mich durch ihre schlechten Charaktere vor der Gefahr einer Leidenschaft schützten.«

»Ich bin, wie Du sagst, durch meine Erfolge an die Unbeständigkeit gewöhnt?«

»Schätzest Du mich so gering, um zu glauben, dass ich, bevor ich Dich berührte, mir schmeichelte, deren viele gehabt zu haben? Es gibt unter diesen Siegen, auf die Du mich so stolz sein glaubst, keinen, der mich nicht in meinem Innersten unbefriedigt gelassen hätte; und schließlich keinen, den ich nicht um den Preis meines Herzblutes davongetragen[219] zu haben wünschte, wenn er mich Deiner würdiger macht!«

Zephis schien bei diesen feurigen Worten Mazulhim's ein wenig beruhigt zu sein, sie überließ ihm ihre schöne Hand, indem sie ihre Augen mit einem so zärtlichen und sprechenden Ausdruck auf ihn heftete, den allein die Liebe zu geben vermag.

»Ja, Zephis,« fuhr Mazulhim fort, »ich liebe Dich, ach, wie sehr! Mit welchem Entzücken fühle ich es jetzt, zu Deinen Füßen, dass es selbst in den glühendsten Ergüssen die wahre Liebe war, der ich opferte! Ach, wie süß ist es für mich, sie nun zu fühlen und sie nur durch Dich allein zu kennen! – Ohne Deine Reize, selbst ohne Deine Tugenden hätte ich ohne Zweifel niemals dieses hohe Gefühl gekannt, dem ich mich so lange widersetzte, bis ich Dich erkannte. Dir allein verdanke ich diese göttliche Wonne, und nur für Dich allein will ich ewig von diesen hohen Gefühlen erfüllt sein!«

»Ah, Mazulhim!« rief sie aus, »wie glücklich wären wir, wenn Du wirklich so dachtest, wie Du sprichst, wenn es wahr[220] wäre, dass Du mich liebest, dass Du mich stets lieben wirst!«

Bei diesen Worten neigte sie sich über Mazulhim und indem sie ihn in ihre Arme schloss, neigte sie ihr Haupt zu dem seinen.

Die zärtlichste Trunkenheit spiegelte sich[221] in ihren Augen, und bald erfüllte Mazulhim ihre ganze Seele.

Götter, welche Blicke, ich sah solche nur bei Phenime.

»Du zweifelst nicht daran, dass ich Dich liebe,« sagte sie, indem sie ihm den schwächsten Widerstand bot, »aber kannst Du nicht ...«

»Ach, Zephis,« sagte er, »kannst Du immer noch fürchten, mir Deine Zärtlichkeit zu beweisen?«

Zephis seufzte und antwortete nichts.

Sie war mehr von ihrer eigenen Leidenschaft beherrscht, als sie von der Liebe des Geliebten überzeugt war, und gab endlich seinem Verlangen nach. Oh, überglücklicher Mazulhim, welche Reize boten sich Deinem Blicke dar, und wie sehr erhöhte die Keuschheit Zephis ihren Wert.

Auch schien mir Mazulhim darüber sehr überrascht; er staunte über alles, und fand alles zu küssen; ich war fern davon, die Bewunderung, in die er versunken war, zu verdammen, denn ich theilte sie mit ihm, nur schien es mir, dass die Lage, in welcher er sich befand, zu lang dauerte.

Es ist wahr, je zartfühlender man ist,[222] umsomehr erfreut man sich über unbedeutende Dinge. Ich hatte von Mazulhim eine ziemlich gute Meinung, und die Verblüfftheit, in der ich ihn sah, schrieb ich den Reizen Zephis zu, welche diesen Gedanken rechtfertigte.

Wahrscheinlich glaubte Zephis dasselbe, und noch länger als ich.

Ich begriff nicht, wie die Glut eines so zärtlichen Liebhabers, der es so eilig hatte, glücklich zu werden, sich in dem Momente abschwächte, wo er den größten Grund hatte, sein Entzücken zu vergrößern. Er war lebhaft, ohne feurig zu sein; er lobte, er bewunderte beständig. Aber kann denn ein Liebender nur durch Lobsprüche seine Wünsche ausdrücken?

Obzwar Mazulhim mit großer Geschicklichkeit sein Missgeschick zu verdecken suchte, bemerkte Zephis doch den geringen Erfolg ihrer Reize, sie schien darüber weder überrascht noch erzürnt, und indem sie ihre schönen Augen ihrem Geliebten zuwandte, sagte sie ihm mit dem süßesten Lächeln:

»Stehe auf, ich bin noch glücklicher, als ich es dachte!«[223]

Nach diesen Worten, die ihm beschimpfend erschienen, wollte Mazulhim Zephis beweisen, dass er die Meinung, welche sie von ihm hatte, nicht verdiene.

Er war gezwungen, sich zu rechtfertigen.

»Wahrhaftig, Madame,« sagte er in einem Tone, der mich lachen machte, »Du hast mich betrübt.«

»Deine Verlegenheit belustigt mich, aber Dein Schmerz würde mich beleidigen; es wäre zu grausam für mich, wenn Du mein Herz verwundet glaubtest ...«

»Ah, Zephis!« unterbrach Mazulhim, »wie schwer ist es, Dir Unrecht zu thun, und schwer sich zu rechtfertigen.«

»Höre doch auf, Dich zu betrüben,« erwiderte Zephis zärtlich; »ich glaube, dass Du mich liebst, ich glaube es, aber erst seit einem Augenblick und Du konntest mir Deine Zärtlichkeit nicht besser beweisen, als durch die Dinge, welche Du Dir vorwirfst.«»Ah! das ist, wie man so sagt, gut reden,« sagte der Sultan; »aber im Grunde ihrer Seele war diese Dame gewiss nicht zufrieden. Erstens, weil diese Sache an und für sich betrübend ist, und weil, wie es[224] scheint, das, was alle Frauen betrübt, nicht eine unter ihnen belustigen wird, oder, das wirst Du wohl zugeben, sie müsste sehr launenhaft sein. Übrigens könnte man wohl sagen, dass es keine sehr angenehme und tröstende Sache ist, wenn einem das geschieht.«

»Da fällt mir eben ein (ich war noch sehr jung), es war eine Frau.«

»Ich will Euch nicht sagen, wie das geschah; wir waren dennoch beide ... in Wirklichkeit hätte ich mir niemals misstraut; und da plötzlich ... ich weiß nicht recht, wie ich Euch das erklären könnte. Nun gut! Ich konnte ihr die schönsten Liebeserklärungen der Welt machen, je mehr ich in sie hineinsprach, umso mehr weinte sie. Ich habe das nur einmal gesehen, aber es ist wahr, dass dies eine sehr rührende Sache war.«

»Ich sagte ihr unter anderen Dingen, dass man an nichts verzweifeln müsse, und dass ich es nicht vorsätzlich gethan hätte.«

»Ei, hören Sie mit ihrer grausamen Geschichte endlich auf,« unterbrach die Sultanin.

»Ich finde es sonderbar,« erwiderte[225] Schach-Baham, »dass es mir nicht gestattet sei, eine Erzählung zum besten zu geben, und besonders zu Hause. Seitdem, wie ich Euch sagte,« fuhr er fort, »habe ich ein für allemal den Schluss gefolgert, dass es kein Weib gebe, welcher diese Sache nicht ein gewisses Vergnügen verursachte, folglich auch die Dame des Mazulhim, welche so schöne Dinge sagte.«

»Wenn sie auch noch so sehr geliebt hätte, sollte sie es doch nicht sagen,« unterbrach die Sultanin, »das ist gewiss; aber wisset doch, dass das, was Ihr für eine Frau so ärgerlich haltet, sie mehr in Verlegenheit setzt, als betrübt.«

»Ah, ja!« erwiderte der Sultan, »ich hätte zum Beispiel nur ... aber haben Sie keine Furcht! fahre fort, Emir.«

»Wie bestürzt auch Mazulhim über sein Abenteuer war, schien es mir, dass er es noch mehr über die Art sei, womit es Zephis aufnahm.«

»Wenn mich etwas über dieses schreckliche Missgeschick trösten kann,« sagte er ihr, »so ist es zu sehen, dass es über, Dein Herz nichts vermag; wie viele Frauen würden[226] mich verabscheuen, wenn sie sich ebenso über mich zu beklagen hätten.«

»Ich gestehe Dir,« antwortete Zephis, »dass ich vielleicht ebenso wie sie handeln würde, wenn ich diesen Unfall Deiner Kälte zuschreiben könnte; wenn aber, wie Du mir versicherst und wie ich es glaube, die Liebe allein Deine Sinne verwirrt, so finde ich in diesem Abenteuer tausend Dinge, die für mich schmeichelhafter sind, als alle Deine Liebesbeweise.«

»Ich liebe Dich zu sehr, um nicht zu glauben, dass Du mich liebst, vielleicht bin ich auch zu eitel,« fügte sie lächelnd hinzu, »um mir einzubilden, dass die Schuld an mir liegt; aber was auch der Grund meiner Nachsicht sei, was wahres daran ist, dass ich Dir verzeihe. Ich versichere Dich übrigens, dass ich über den einfachsten Verdacht in Bezug auf Deine Treue weniger beruhigt bin, als über das, was Du ein Verbrechen nennst. Ja, Mazulhim, bleibe mir treu, und möchte ich Dich doch immer so finden, wie Du es gegenwärtig bist. Das, was ich an dem, was Du Vergnügen nennst, verlieren möchte, würde ich es nicht wieder[227] in der Gewissheit, dass Du beständig bliebest, wiederfinden?«

Während Zephis sprach, versäumte Mazulhim nichts, um sein Missgeschick wieder gut zu machen.

Zephis gab sich seinem Verlangen mit einer Gefälligkeit hin, welche er in seinem Innern vielleicht nicht billigte.

Diese Gefälligkeit wurde selbst zärtlicher, und nahm unmerklich zu. Zephis sträubte sich weniger oder gewährte alles mit mehr Nachsicht, ihre Augen strahlten in einem Feuer, welches ich noch nicht an ihnen sah; es schien, dass sie sich nur in diesem Augenblicke wahrhaft ergeben hatte: sie hatte bis jetzt nur das Liebesdrängen Mazulhims geduldet, jetzt theilte sie es. Dieser vom ersten Augenblick unzertrennliche Widerstand, welchen so viele Frauen zur Schau tragen und nicht fühlen, hatte aufgehört.

»Zephis erduldete ohne Verlegenheit die Lobpreisungen Mazulhims, und schien selbst zu wünschen, ihm Grund zu neuen zu geben; sie erröthete, es war nicht die Keuschheit, die sie erröthen machte; ihre Blicke wandten sich nicht mehr von dem Gegenstande[228] ab, der sie zuerst verletzen schien; das Mitleid, welches ihr Mazulhim einflößte, hatte endlich keine Grenzen mehr; jedoch ...«

»Ah, ja,« unterbrach der Sultan, »jedoch ... Ich verstehe schon, das ist ein unverschämter Mann! Ich kenne nichts, was auf die Länge unerträglicher wäre, als sein Verfahren mit Zephis. Ich bin sicher, dass sie sich darüber ärgerte.«

»Und ich,« sagte die Sultanin, »denke das Gegentheil davon; eines solchen Unglücks wegen böse zu sein, das ist so viel, als es zu verdienen.«

»Gut,« sagte der Sultan, »glauben Sie, dass ein Weib eine solche Erwägung mache? Ich würde mich in einem ähnlichen Falle sicher auch ärgern. Lass sehen, was Zephis sagte, denn so viel ich sehe, hat in diesen wie in allen anderen Dingen doch jeder seinen Geschmack.«

»Wie nachsichtig auch Zephis war,« erwiderte Amanzei, »so schien sie doch die Hartnäckigkeit des Unglücks ihres Geliebten zu langweilen, sei es, dass nachdem sie für ihn mehr als das erstemal gethan hatte, sie[229] es weniger zu verdienen dachte; sei es, dass sie in diesem Augenblicke günstiger aufgelegt war. – Mazulhim, weniger als Zephis von seinem Missgeschick überzeugt, oder gewohnt diesem in ähnlichen Fällen zu trotzen, dachte von Zephis nicht so gut, wie er sollte, und versuchte das, was, wenn er höflicher oder klüger gewesen wäre, nicht versucht hätte. Es schien mir, dass sie nicht eine Probe gestattet hätte, welche ihr weniger den Dünkel Mazulhim's zeigte, als die schlechte Meinung, welche er von ihren Reizen zu haben wagte.«

Trotz ihrer Erregung entschlüpfte ihr ein boshaftes Lächeln, welches Mazulhim zu sagen schien, dass sie nicht die Person sei, bei der eine solche Kühnheit am Platze wäre.

Gewiss, dass er dafür bald bestraft sein würde, gab sie sich diesen lächerlichen Unternehmungen mit einer Unerschrockenheit hin, welche jede Frau so eitel ist, in einem ähnlichen Falle zu haben, aber welche nicht bei allen durch Erfolg gerechtfertigt ist.

Obzwar Mazulhim in diesem Augenblicke weniger zu bedauern war als früher, so war er doch nicht in einer Lage, wo man[230] ihn beglückwünschen konnte, und wie sehr er sich auch bemühte, so hatte Zephis Recht, seine Anstrengungen nicht zu fürchten.

Nach der erstaunten Miene Mazulhim's musste ich glauben, dass wenn einem Anderen geschähe, was ihm geschah, so würde er keine Frau finden, die wie Zephis ihm in seinem Unglücke eine Ausflucht gelassen. Ich sage es jedoch, ohne eine Frau beleidigen zu wollen, und weiß man es, ob man immer sie beschuldigen sollte?

Wie dem auch sei, die Überraschung Mazulhims war so spasshaft, dass Zephis sich des Lachens nicht enthalten konnte.

»Wenn Du mich darnach gefragt hättest,« sagte sie ihm, »würde ich es Dir vielleicht gesagt haben, aber Du hättest mir vielleicht nicht geglaubt.«

»Ich würde gewiss Unrecht gehabt haben,« antwortete er, »aber das konnte ich nicht erwarten; eine zehnjährige glückliche Erfahrung schien mir die Möglichkeit dessen zu sichern, was ich mit Dir umsonst versucht habe. Ah, Zephis!« fügte er hinzu, »muss ich darin, was meine Wünsche erfüllen sollte, neuen Grund mich zu beklagen finden!«[231]

»In der That,« antwortete sie lachend, »ich begreife es sehr wohl, wie unglücklich Du bist, und ich beklage Dich sehr!«

»Zephis,« versetzte er entzückt, »nichts kommt der Zärtlichkeit, die ich für Deine Reize fühle, gleich; jeder Augenblick vermehrt meine Gluth und meine Trostlosigkeit; und ich fühle ...«

»Ei, Mazulhim,« unterbrach sie ihn, »was wäre denn das Glück gewesen, dessen Verlust Du so sehr bedauerst? Nein, wenn es wahr ist, dass Du mich liebst, bist Du nicht zu beklagen. Ein einziger Blick von mir muss Dich glücklicher machen, als alle Vergnügen, welche Du suchst.«

»Deine Gefühle erfreuen und durchdringen mich,« sagte er, »aber indem sie meine Liebe verdoppeln, so vergrößern sie mein Bedauern und meinen Schmerz.«

»Beenden wir diese Unterhaltung,« sagte Zephis, sich erhebend.

»Was,« rief er aus, »willst Du mich schon verlassen? Ah, Zephis! überlasse mich nicht meiner entsetzlichen Lage.«

»Nein, Mazulhim,« erwiderte sie. »Ich habe Dir versprochen, den Tag mit mir zu[232] verbringen, und möge er Dir nicht länger erscheinen als mir! Aber gehen wir aus diesem Kabinet hinaus, gehen wir diese köstliche Luft zu genießen, die sich jetzt verbreitet, Deine Einbildung zu zerstreuen, sie endlich von jenen Gegenständen abzulenken, welche sie zermartern und betrüben; vielleicht, Mazulhim, ist es so, dass je mehr man die Vergnügungen sucht, desto weniger man sie genießen kann; versuchen wir es, uns in den Gegenstand besser hineinzuleben, indem wir unsere Gedanken weniger darauf richten.«

»Die großmüthige Zephis ging hinaus indem sie diese Worte endigte, und Mazulhim gab ihr auf die ehrerbietigste Art der Welt seine Hand.

Das eigenthümlichste ist, dass Mazulhim, der die Zusammenkünfte, welche man ihm gab, so schlecht benützte, der gesuchteste Mann in Agra war; es gab keine Frau, die ihm nicht nahe gestanden wäre, oder ihn nicht als Geliebten zu haben wünschte; lebhaft, liebenswürdig, flatterhaft, immer trügerisch, fand er doch nicht wenige, die sich täuschen ließen, alle Frauen kannten ihn, und dennoch[233] suchten ihm alle zu gefallen, sein Ruf war erstaunlich.

Man glaubte an ihn! ... wie sollte man nicht an ihn glauben! Und dennoch, was war er? Was verdankte er nicht alles der Verschwiegenheit der Frauen, er, der mit ihnen so schlecht umging, und sie so wenig schonte.

Nach einer Stunde des Spazierganges kamen Zephis und er aus dem Garten zurück.[234] Ich forschte schnell in ihren Augen, ob sie zufriedener schienen, als sie hirausgegangen waren. – Nach dem bescheidenen Aussehen Mazulhim's glaubte ich das nicht, und täuschte mich keineswegs. Zephis setzte sich nachlässig auf mich hin, und Mazulhim ließ sich zu ihren Füßen auf den Polster nieder. Da er ihr ziemlich wenig zu sagen hatte, und ihr auf keine Art eine Unterhaltung bieten konnte, überließ er sich der Träumerei, sie dabei zärtlich anschauend.

Bald darauf beschämt, eine so traurige Rolle bei der schönsten Frau von Agra zu spielen, aber noch immer über sein Missgeschick bestürzt, zitternd, indem er dasselbe gut machen wollte, neue Beschimpfungen zu wagen, blieb er einige Augenbicke, ohne zu wissen, für was er sich entschließen sollte. Er fürchtete endlich, dass seine Stille und seine Kälte Zephis eher Beweise von Gleichgiltigkeit, als die der Furcht oder Reue erschienen. Er schloss sie stürmisch in seine Arme, und indem er ihr die zärtlichsten Küsse gab, schien es, als ob er plötzlich wie durch einen Schlag aus der Lethargie, in welche Zephis ihn versetzt, heraustreten wolle. Zephis überlegte[235] zuerst, ob sie sich den neuen Angriffen Mazulhims hingeben sollte. Ob ihre Zärtlichkeit sie alles zu gewähren hieße, diese Zärtlichkeit selbst ließ sie mit Schmerz einsehen, dass sie nie mehr Grausamkeit für Mazulhim hatte, als wenn sie ihm nichts verweigerte. Wünschte er glücklich zu sein, oder kannte er sie wenig genug, um zu glauben, dass sie verletzt sein würde, wenn er es nicht zu errathen versuchte? War es endlich die Liebe oder die Eitelkeit, welche ihn zu solcher Zärtlichkeit zurückführte?

Während sie sich mit diesen Gedanken beschäftigte, trachtete Mazulhim (sei es, dass er bloß trachtete sich aus einer Situation zu ziehen, welche ihn langweilte, oder wollte er Zephis verhindern, sich zu langweilen), über sein Unglück zu triumphieren.

Zephis weigerte sich zuerst seiner Leidenschaft hinzugeben, sie gab aber endlich dem übermäßigen Drängen Mazulhims nach, der von ihr mehr Gefälligkeiten, als nöthig war, begehrte, sie zuckte bloß mit den Achseln, dass er sich so große Gedanken mache, und man muss ihr Gerechtigkeit widerfahrenlassen, sie erwartete bei weitem weniger als er.

Die unaufmerksame und selbst gelangweilte Miene, welche sie lange zur Schau trug, fern davon, Mazulhim zu verletzen, trieb ihn an seine Zärtlichkeit zu verdoppeln, und da er ein Mann seiner Zeit war, der die kleinen Dinge am besten zu behandeln wusste, zwang er sie ihm mehr Aufmerksamkeit zu schenken, von der Aufmerksamkeit führte er sie zum Interesse über; das Wenige an Wirklichkeit der Dinge, die er ihr bot, verschwand unmerklich ihren Augen; sie lebte sich selbst in die Illusion hinein, und er kannte endlich, von wie vielen Vergnügungen die Einbildung der Quell ist, und wie sehr die Natur ohne ihr beschränkt wäre.

Zum Höhepunkt des Glückes für Mazulhim machte er auf Zephis einen günstigeren Eindruck, als er sich dessen geschmeichelt hatte.

Die Reize Zephis wurden immer rührender und ließen ihm jene Regung fühlen, die er bis jetzt umsonst gesucht hatte, und in dem süßen Aufwallen seiner Sinne hatte er die Erinnerung an sein Unglück verloren, oder[238] da er dann mehr aufgeregt als niedergeschlagen war, besiegte er endlich glorreich diese Hindernisse, durch welche er sich so lange und grausam aufgehalten sah.«

»Ich verstehe,« sagte der Sultan, »das hat er gut gemacht, denn es ist besser spät als nie, das heißt, dass ...«

»Möchten Sie uns das nicht erklären,« unterbrach die Sultanin »und denken Sie, dass Amanzei die Klugheit oder Feinheit gehabt habe, uns etwas errathen zu lasen?«

»Ich weiß es nicht,« erwiderte der Sultan, »und kümmere mich nicht darum, aber Sie werden das so gut wie ich wissen, dieser Mazulhim ist ein wenig den Zufällen unterworfen, und es scheint mir ganz einfach zu sein, dass man sich erkundige ... Nun gut, sage mir einmal also, Mazulhim?«

»Sire, er war glücklich, aber er verstand es besser zu beleidigen, als das Ungemach, welches er verursacht, wieder gut zu machen, und ich zweifle, dass wenn er mit einer Person zu thun gehabt hätte, die weniger großmüthig als Zephis gewesen wäre, er so leicht Verzeihung erhalten hätte. Mehr eitel als verliebt, schien er mir weniger[239] das Glück zu fühlen, Zephis zu besitzen, als das Vergnügen, vor ihr nicht erröthen zu müssen. Sie fingen ein zärtliches Gespräch an, worin Zephis mehr Gefühl, Mazulhim aber äußerst viel Dünkel entwickelte.

Kurze Zeit nachher trug man ein Souper auf, wobei er seinen Geschmack für Feinheit erschöpfte. Zephis, die durch die Gegenwart ihres Geliebten immer mehr begeistert war, sagte ihm tausend zarte und leidenschaftliche Dinge, die mich ihren Geist und ihre Zartheit bewundern ließen. Obgleich er selbst von so vielen Reizen entzückt war, so wirkten sie doch nicht auf ihn so wie auf mich, und es schien mir, als ob sein Hochmuth mehr durch die Eroberung der Zephis geschmeichelt sei, als dass sein Herz von dieser lebhaften und zarten Leidenschaft, welche sie für ihn hatte, gerührt war; und von dieser Leidenschaft war sie ganz erfüllt, trotzdem sie seine Unbeständigkeit fürchtete.

Wenn der Besitz der Zephis Mazulhim nicht so verliebt gemacht, als er es sollte, so wurde er wenigstens lebhafter, sein dem Gefühle unzugängliches Herz schmachtete[240] noch; alle die Tugenden der Zephis, welche der Undankbare lobte, ohne sie zu kennen, und vielleicht ohne an sie zu glauben, fern davon, ihn an sie zu fesseln, schienen ihn von ihr, zu entfernen. Ich sah ihn nicht einmal gerührt von der zärtlichen und wahren Liebe, die sie für ihn empfand, aber sie fing an ihm Begehren einzuflößen.

Er schaute sie mit Entzücken an, er seufzte, er sprach voll Glut von dem Glücke, welches er genoss, zu ihr, und schien mit Ungeduld das Ende des Nachtessens zu erwarten. Er sagte es ihr selbst; aber sei es, dass sie eine weniger gute Meinung von dem Nachsouper hatte als er, sie war weniger ungeduldig. Sie liebte ihn dennoch, er drang in sie bald ... Ah, Mazulhim, wie glücklich wärest Du gewesen, wenn Du zu lieben gewusst hättest!

Kurze Zeit nachher ging Zephis fort, und Mazulhim folgte ihr, indem er ihr Betheuerungen von Liebe und Dankbarkeit machte, welche ich aber um so weniger für wahr hielt, als sie dieselben besser verdient hätte. Zephis war zu schätzenswert, als dass er sich für immer an sie gebunden hätte. Sie[241] war wahrhaft, ohne Schminke, ohne Gefallsucht; Mazulhim war ihr erstes Verhältnis, aber was das Glück eines Anderen gebildet hätte, für dieses verdorbene Herz war es nur eine Bekanntschaft, die ihm weder Vergnügen noch Unterhaltung bereitete. Er brauchte nur jene Frauen, welche ohne Gefühl und Scham geboren, tausend Abenteuer erleben, ohne jedoch einen Geliebten zu haben, und die man nach der Unzukömmlichkeit ihres Betragens anklagen könnte, eher die Unehre als das Vergnügen zu suchen. Es war nicht zu verwundern, dass Mazulhim, welcher ein Geck wahr, den Frauen dieser Art gefiel und er sie seinerseits auch aufsuchte.«

»Aber Amanzei,« fragte die Sultanin, »wie konnte ein Mann von so wenig Verdienst eine so schätzenswerte Person rühren, wie Sie uns Zephis beschreiben?«

»Wenn Ihre Majestät sich gnädigst erinnern wollte, welches Bild ich von Mazulhim entwarf,« antwortete Amanzei, »so würde Sie sich weniger wundern, dass er Zephis gefallen konnte, er hatte Annehmlichkeiten und wusste Tugenden zu heucheln. Übrigens wäre[242] Zephis nicht die erste vernünftige Frau, welche das Unglück gehabt hätte einen Gecken zu lieben, und es ist Ihrer Majestät nicht unbekannt, dass man etwas ähnliches alle Tage sieht.«

»Ohne Zweifel,« sagte der Sultan, »er hat zum Beispiel Recht, man sieht nur das; übrigens fraget nicht warum, denn ich weiß nichts davon.«

»Ich verlange es auch nicht von Ihnen zu wissen,« erwiderte die Sultanin. »Es sind dies Dinge, welche, wie es mir scheint, Sie mit all dem Geist, den Sie besitzen, dennoch nicht wissen.«

»Dass eine vernünftige Frau,« fuhr sie fort, »sich einem Manne hingibt, von dessen Gegenliebe und Rechtlichkeit sie überzeugt ist, das überrascht mich nicht, aber dass sie fähig sei, für Mazulhim eine Schwäche zu haben, das kann ich nicht begreifen.«

»Die Liebe wäre nicht das, was sie ist,« antwortete Amanzei, »wenn ...«

»Wenn, wenn,« unterbrach der Sultan, »wirst Du noch lange den Schöngeist spielen, erinnerst Du Dich nicht, dass ich die Abhandlungen verboten habe? Was geht es[243] Dich an, dass diese Zephis diesen Mazulhim liebt, dass die eine spröde und der andere ein Geck ist? Nun gut! Sie liebt ihn so, wie er ist.«

»Sie wollen wissen warum,« fuhr der Sultan fort, »warum fragten Sie nicht Amanzei, während er eine Frau war? Glauben Sie, dass er sich dessen jetzt erinnert? Sie sind schließlich die Ursache, mit all Ihren Reden, dass die Märchen, welche man mir erzählt, gar nicht endigen, und das bringt mich auf. Nein, Emir, wo sind wir geblieben? warum wird diese Zephis so vernünftig, dass sie mich langweilt? Welches war das Ende davon?«

»So, wie es kommen musste,« versetzte Amanzei »Mazulhim, wollte zuerst nicht gänzlich die Rücksicht für Zephis außer Acht lassen, und täuschte sie so heimlich, wie er nur konnte.

Entweder waren die Rücksichten nicht genug geschickt angewandt, um sie zu täuschen, oder waren die Treulosigkeiten, die er ihr anthat, zu häufig und zu auffallend, als dass er ihr dieselben stets verbergen konnte. Wie dem auch sei, sie beklagte sich; aber da[244] sie ihn liebte und verblendet war so gelang es ihm leicht sie zu beruhigen. Er setzte seine Treulosigkeiten fort, und sie fing ihre Vorwürfe wieder an. Endlich wurde er ungeduldig, und wenig von ihrer Liebe und ihren Thränen gerührt, brach er völlig mit ihr, und überließ sie der Schmach, ihn geliebt, und der Kälte, ihn verloren zu haben.«

»Meiner Treu,« sagte der Sultan, »er that wohl daran, sie zu verlassen; und der Beweis davon ist, dass ich dasselbe gethan hätte. Ich weiß wohl, dass sie sehr schön war, und sehr viel Verdienst hatte, aber dieses Verdienst hätte mich, der ich unterhalten sein will, ebenso gelangweilt wie ihn.

Nicht, dass ich ein Mazulhim wäre, ich denke, dass man mir dieses nicht vorwerfen wird, aber es ist deshalb nicht weniger unterhaltend Frauen zu verlassen und wäre es nur darum, um zu hören, was sie dazu sagen.«

Quelle:
Crébillon Fils: Sopha. Prag [1901], S. 207-245.
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