Als sind hundert Geisterflöten in den Berg gebaut

[244] Frühdämmerung steht am Fenster grau schwach,

Ein Heer von Amseln ruft draußen die Sonne wach.

Es ist, als zieht mein Fenster den frühen Liedern nach.

Flink wie ein Spielwerk plaudert der Liederlaut,

Als sind hundert Geisterflöten in den Berg gebaut,

Und hundert Seelen erscheinen im Liede, ehe der Tag noch graut.

Wer hat die Amselkehlen geweckt, eh' die Sonne aufstand?

Wer ist es, der ihnen den Lustgesang im Dunkel erfand?

Verliebtes Herzblut, das überschäumt über den Rand.

Quelle:
Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 244.
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