Es ist der Abend im Mai mehr wach als der Morgen

[267] Ich ging in der Nacht unter blühenden Lauben,

Deren Gerüche wie Ätheröle verstauben.

Auch die Ohren mußten dem Tauben klingen,

So übten Nachtigallen der Leidenschaft Singen,

Sie lösten sich ab in den Bäumen verborgen.

Es ist der Abend im Mai mehr wach als der Morgen.

Sie sangen von ihrem Begehr ohne Zaudern,

Von Verzückung und süßen Schaudern,

Und alle, die sie hörten, mußten Feuer fangen.

Quelle:
Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 267.
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