Mit Gewitterfurcht in den Rippen

[241] Der Berg ist vom Gewitter umlauert, der Fluß steht fest wie angemauert.

Fluß und Abend und Berg erwarten den flatternden Ritter,

Den ersten Frühlingsblitz, von dem der Efeu im Garten

Im Vorgefühl schon rauschend erschauert.[241]

Auf der Pappelinsel im Fluß flüchten die Amseln scheu,

Als ob bald die Insel im Blitzstrahl versinken muß,

Fällt der wie ein Schuß aus den Bergen ins Tal.

Dann, mit Gewitterfurcht in den Rippen,

Hält manche die Lippen hin zum ersten Kuß.


Quelle:
Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 241-242.
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