Der Brand

[118] Nur Zufall ... Bleiern lag Berlin

im Abendlichte Dach an Dach;

trüb sah sie in das Feuer,

das drüben aus dem Giebel brach.

Die Flammen zuckten.


Im Rahmen meines Fensters,

so stand sie schwarz und stumm vor mir;

und im Nebenzimmer spielte

eine blasse Frau Clavier.

Drüben wühlte die Glut.


Die blasse Frau war meine,

und Diese stand so nah und hold;

flimmernd säumte der rote Schein

die lieben Locken mit dunklem Gold

und Funkengestiebe.


Es zog mich hoch: ich mußte,

ich wollte sie an mich ziehn.

Eine große trübe Wolke Rauch

kroch über ganz Berlin;

die Flammen erstickten.


Ich stand mit scheuen Händen,

das Spiel dort klang so seelenklar;

und oben über der Wolke glomm

und zitterte so wunderbar

ein blasser Stern ...

Quelle:
Richard Dehmel: Aber die Liebe. München 1893, S. 118-119.
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