|
[87] Laß, Liebster, die Lampe noch stehen
und rücke mit mir zum Kamin,
und laß in die Flammen uns sehen
und lauschen dem Zauber darin!
Und lege dein Haupt ans Herz mir
und blicke nicht traurig drein,
daß wir am Heiligen Abend
im Dunkeln sitzen! allein!
Horch, wie im Ofen wispert
die Glut ihr heimlich Lied!
schau, wie ein Lichterreigen
über die Diele zieht!
Draus schwillt's wie ein Singen und Weben
von Märchenherrlichkeit,
drin spielt's wie ein Schwingen und Schweben
von Träumen der Kinderzeit:
[87]
als wir noch fromm gebetet
zum lieben Jesuchrist,
der für uns arme Sünder
vom Himmel kommen ist, –
als wir noch nicht verstanden,
warum auf Golgatha
ein brechend Menschenauge
einst mild zur Erde sah.
Und denke der großen Liebe,
die treu bis in den Tod
gerungen und gelitten
für all der Brüder Not!
Und denke des großen Glaubens,
den Er zur Menschheit trug
noch in der letzten Stunde,
da man ans Kreuz ihn schlug!
Und blicke nicht trüb, mein Liebster,
daß Du noch ringst allein!
und hoffe wie Er, daß Einstens
die Goldne Zeit wird sein! – –
Nun sehe dein Auge ich leuchten
und strahlen Eigne Glut,
nun richtet das Haupt dir wieder
empor der alte Mut.
Du bist mein Stolzer, mein Starker!
du führst es Alles aus!
Oh gründe und baue nur weiter
an deinem stolzen Haus! –
[88]
Und übers Jahr ist's anders –
neig' her dein Ohr geschwind:
da schmücken wir ein Bäumchen
für ein lieb Menschenkind.
Buchempfehlung
Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
746 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro