Die erste Reise[120] 1

Herauf, o Sonne! Lange schon harret dir

Der Bard' entgegen, welchen der Hahnenruf

Aus seelenhebenden Gesichtern

Mitten in seinem Gewölbe weckte.


Herauf, o Sonne! Röthe mein Saitenspiel

Mit einem deiner Erstlinge! denn mein Herz

Ist voll von Joseph. Nur dein Anglanz

Mangelt. Erschein'! und Gesänge reifen.


Sie kömmt! die Blume schleußt ihr den Busen auf.

Der Thau der Wipfel blitzet ihr Gold zurück,

Und tausend rege Lüftesänger

Lösen in Freudegetön' die Kehle.


So kömmt zu Völkern, welche das Meer von uns,

Von uns die Kette steiler Gebirge trennt,

So kömmt zu Völkern Joseph. Herzen

Schließen sich auf, und gethürmte Städte
[120]

Tief aufgereget schmücken ihr luftig' Haupt,

Und kleiden sich in Feier, und himmelan

Erschallt von hunderttausend Lippen:

Heil dem Gebiether der deutschen Erde!


Heil sey dem ersten Sohne Theresien's!

Dem Heldenenkel, Herzeneroberer!

Dem wunderbaren jungen Manne!

Weiser, Genügsamer, Holder, Heil dir!


Wem jauchzt ihr? Völker! Städte! wem feiert ihr?

Wem schließen alle Herzen so weit sich auf?

Tön't, Saiten! tön't den Stolz des Barden!

Tön't ihn gewaltiger! er ist unser!


Ihr seht ihn, Völker! Deck't ihn ergrab'ner Werth

Von einer halben Erde? Beschwert er

Von Silber helle Räder? Folgen

Seinem Gespanne die bunten Horden


Geschmückter Diener? Blitzet ein fürchterlich'

Gemisch entblößter Wehren um Joseph her? –

Und dennoch jauchz't ihr? Aechter Größe

Jauchzet ihr, Völker! – Und er ist unser!
[121]

Ihr seh't sein menschenfreundliches Angesicht,

Sein Aug' voll Herz auf Grüßende zugewandt.

Ihr hör't ihn Weisheit, Güte sprechen,

Staunet und liebet. – Und er ist unser!


Ihr seh't ihn, Völker! wenn er dem Ewigen

In seinen Hallen gläubige Kniee beugt.

Ihr seh't, und wünschet allen Erden

Herrscher, wie Joseph. – Und er ist unser!


Das ist er! Harfe, töne des Barden Stolz,

Den Stolz der Kinder Teut's, den entzückenden,

Den wonnetrunkenen Gedanken:

Joseph der zweite so groß – und unser!


Und sängen alle Barden der Kinder Teut's

In ihre besten Harfen, er bliebe doch

Unaugesungen der Gedanke;

Seelen empfinden allein die Süße,


Dem Göttlichen zu dienen, sein Eigenthum,

Und seiner Sorgen einziger Zweck zu seyn,

Der voll des Vaters und der Mutter,

Eh' noch die Wange sich männlich bräunte,
[122]

Noch eh' der Herrscher Gold ihm vom Haupte schien,

Schon Herrscher seiner selber, entadelten,

Oft thronerschütternden Begierden

Niemal den himmlischen Busen aufschloß;


Den, nur von Recht und Einsicht und Mäßigkeit,

Der Erdegötter schönsten Gefährtinnen,

Begleitet, an die Grenzen seines

Mächtigen Erbes die Liebe seiner


Getreuen hinzog2, jegliches Ungemach

Verachtend, und zur krieg'rischen Arbeit sich

Mit Lust erhärtend, der im Frieden,

Aehnlich dem Adler am Felsengipfel',


Mit wachem Auge ruhet, und adlerschnell

Auf Störer seiner Ruhe sich niedersenkt.

Sie bluten, liegen, und der Sieger

Schwebet zurücke zum Felsengipfel.
[123]

Dann wirbelt heller Siegesgesang ihm nach,

Gestürmt in deutsche Saiten, und Joseph horcht;

Nicht Sänger fremder Zungen, deutscher

Heldenton reize den deutschen Herrscher!


Und kann der Ausbruch meiner Empfindungen,

Und meine Saitengriffe den Göttlichen

Nur einen Augenblick der hohen

Erdebesorgenden Bürd' entlasten,


Dann soll dich, meine Scheitel! ein Eichenkranz,

Der Hauptschmuck deutscher Barden verewigen,

Und junges Eichenlaub in jedem

Monde der Blüthen dich, Harfe! zieren.


Manch' vaterländisch' Bardenlied höret dann

Die langverwöhnte Donau zur Abendluft

Aus nahen Espenhainen schallen

Ihrem erhabenen Herrscher heilig.

Fußnoten

1 Nach Italien, 1769.


2 Er war vorher schon bis an die türkische Grenze gereiset.


Quelle:
Michael Denis: Auserlesene Gedichte, Passau 1824, S. 120-124.
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