Sechster Auftritt.

[202] Vorige. Ernestine von der Linken kommend.


ERNESTINE. Das Obst ist bestellt, Fräulein, nun fehlt es nur an Blumen zur Tafel.

ELISE. Die werde ich besorgen Sie will gehn. Da sie den Landrath finster und abgewandt stehen sieht, bleibt sie noch. Sind wir doch wirklich in unsrem kritischen Eifer ganz bissig geworden; ja ja, rezensiren macht immer böses Blut. – Komm her, Ernestine, Du sollst entscheiden. Wir stritten über ein Gedicht von Kiel.

ERNESTINE. Von Herrn von Kiel? – ein Gedicht? Ich schwöre im Voraus, daß es nichts taugt.

ELISE. Siehst Du? auch wie ein Rezensent, der immer im Voraus weiß, ob ihm etwas gefallen soll, oder nicht.

ERNESTINE. So lassen Sie nur hören und der Höllenrichter verleihe mir Unparteilichkeit.

ELISE liest. »In Wonnenthau gebadet lauscht im Thale«

ERNESTINE. Was ist das? Sieht mit in's Blatt. »Die Blume still« – und dies Gedicht hätte Hr. v Kiel gemacht?

ELISE. Er hat mir es ja selbst gegeben.

ERNESTINE. Und als seine Arbeit?

ELISE. Nun freilich![203]

ERNESTINE. Aber Herr Landrath, was sagen Sie denn dazu?

ELISE. Er hält es für eine unbedeutende Dilettanten- Arbeit.

ERNESTINE zum Landrath. Aber haben Sie denn nicht gesagt –?

LANDRATH. Lassen wir doch die Sache ruhen.

ERNESTINE. Ruhen? O ja, das wäre schön, im ganzen Schlosse muß diese Betrügerei ausposaunt werden.

LANDRATH. Ich bitte, schweigen Sie doch.

ERNESTINE. Nein, das ist zu arg!

ELISE. Aber sage, was ficht Dich an?

ERNESTINE. So wissen Sie denn, Herr von Kiel hat Sie belogen.

ELISE. Ernestine!

ERNESTINE. Er hat das Gedicht nicht gemacht, sondern der Herr Landrath, diesen Morgen im Park; ich habe es schon vor dem Frühstück in seinem Taschenbuche heimlich gelesen. Pause.

ELISE beschämt. Von Ihnen ist das Gedicht?

LANDRATH. Ja denn – da die unbedeutenden Verse nun einmal so viel Redens gemacht; ich brachte sie Ihnen heut mit den Blumen und muß das Blatt wohl dabei verloren haben.

ELISE. Also von Ihnen –?

ERNESTINE. Ist das nun nicht ein wahres Schelmenstück?[204] Aber Fräulein, daß Sie dem Gedichte nicht sogleich angesehen haben, daß –

ELISE mit erzwungener Munterkeit. Du hast Recht, Ernestine, das ist unverantwortlich und ich muß Ihnen allerdings meinen kritischen Scharfblick ganz und gar gefangen geben. Was werden Sie nun von mir denken? – Ein recht arger Schelm ist Kiel freilich, aber Lachend. geschickt hat er es doch angefangen, das muß ich gestehen, je mehr ich mich des Vorganges erinnere.

ERNESTINE. Aber Fräulein –

ELISE. Der Spaß ist wirklich zum Todtlachen! hättest Du nur gesehen, wie schlau er alles drehte. – Und Sie, Vetter, daß Sie auch gar nichts sagten –

LANDRATH. Wie konnte ich?

ELISE immer gezwungen lachend, um ihr Weinen zu verbergen. Ließen mich immerfort streiten. O gehn Sie, Sie wollten mich foppen, wollten den Spaß völlig machen.

LANDRATH. Ich?

ELISE. Nun haben Sie es erreicht, das ist wirklich das lustigste qui pro quo, das ich noch erlebte. – Aber mich so aufzuziehen! Nun warten Sie, warten Sie! Und Kiel, der abscheuliche Bösewicht, der soll es büßen! Geht lachend links ab.


Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 202-205.
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