Neunter Auftritt.

[209] Herr von Kiel. Landrath.


HERR VON KIEL. Mein Herr! – Wir werden nun nicht nach der Scheibe schießen.

LANDRATH. Nein, das werden wir nicht thun.

HERR VON KIEL. Sondern wir werden nun nach uns selber schießen.

LANDRATH sieht ihn an. Nein, das werden wir auch nicht thun.

HERR VON KIEL. Wie, mein Herr, Sie wollen mir Genugthuung verweigern für Ihre Beleidigungen?[209]

LANDRATH. Ich habe Sie nicht beleidigen wollen, das möge Ihnen genügen; aber ich halte es für jedes Mannes Pflicht, gekränkte Frauen zu vertheidigen, und ihre Beleidiger in die rechten Schranken zurückzuweisen.

HERR VON KIEL. Auf Ihre spitzfindige Erklärung kann ich nicht eingehen, wollen Sie mir Satisfaction geben oder nicht?

LANDRATH. Ich begreife zwar nicht, wie man für die wohlverdienten Folgen eines gröblichen Vergehens Genugthuung fordern kann, indeß es sey. Wenn Sie gegen Fräulein Ernestine Ihr Benehmen entschuldigen und um Verzeihung bitten, so will ich meine Reden als übereilt zurücknehmen, da ich Ihnen hätte Zeit gönnen können, Ihr Betragen wieder gut zu machen.

HERR VON KIEL. Aha, Sie geben schon klein bei, aber das ist nichts, wir müssen ein paar Kugeln wechseln.

LANDRATH. Und was ist dann an der Sache geändert?

HERR VON KIEL. Was? – Sehr viel. Erstens haben wir uns dann doch geschossen –

LANDRATH. Und dieser Knalleffekt stellt Sie zufrieden?

HERR VON KIEL. Zweitens könnte danach wohl manches anders seyn, einer von uns könnte auf dem Platze liegen.

LANDRATH. Und ist damit bewiesen, daß wer auf[210] dem Platze liegt, im Unrecht war? – Ich dächte es bewiese nichts, als daß der Gegner gut geschossen hat.

HERR VON KIEL. Was soll all das Philosophiren? Das steht schon in hundert Büchern und hat noch nichts an den Gesetzen der Ehre geändert.

LANDRATH. Ich erkenne sie für thöricht und ruchlos und unterwerfe mich ihnen nicht. Kurzum ich schieße auf keinen Menschen, weil ich das für ein Verbrechen halte, aber ich diene auch niemandem zum Schießpfahl, weil mir dies unsinnig scheint. Wer mich angreift, findet seinen Mann an mir; der läppischen Convention des Duells füge ich mich nicht.

HERR VON KIEL. Sie weigern mir also Genugthuung? Ist das Ihr letztes Wort?

LANDRATH. Mein letztes.

HERR VON KIEL. So ersuche ich Sie anzunehmen, daß Sie die Hetzpeitsche von mir bekommen hätten.

LANDRATH. Wollen Sie die englischen Farçen spielen? So ersuche ich Sie anzunehmen, daß Ich Ihnen dafür alle Knochen zerschlagen hätte.

HERR VON KIEL. Welche Pöbeleien! Genug, mein Herr, Sie sind eine feige Memme, und alle Welt soll das erfahren.

LANDRATH. Alle Welt wird das nicht glauben und Sie selbst nicht. Sie müssen fühlen, daß größerer Muth dazu gehört, ein Duell auszuschlagen, als es anzunehmen. – Und bedenken Sie, wenn ich mich Ihnen stellte,[211] ich habe den ersten Schuß, Sie wissen, daß ich nicht leicht fehle, was hätten Sie davon, todtgeschossen zu werden?

HERR VON KIEL. Gleichviel, gleichviel! Wer nicht stets bereit ist, sein Leben für seine Ehre einzusetzen, verdient es nicht zu haben.

LANDRATH warm. Für wen das Leben nicht höhern Werth hat, als es an ein Possenspiel zu setzen, der ist seiner freilich unwürdig.

HERR VON KIEL. Vergebens verschanzen Sie sich hinter Ihren Philosophemen; ich sehe, Sie sind nur frech in Worten, um vor den Damen muthig zu erscheinen, aber feige, wenn es darauf ankommt, einer Pistolenmündung fest gegenüber zu stehen.

LANDRATH heftig. Geben Sie das Pistol her; ich fühle, Ihre Narrheit ist ansteckend.

HERR VON KIEL. Allons donc! distance!

LANDRATH schießt über ihn weg. Nun schießen Sie!

HERR VON KIEL. Sie haben nicht auf mich gehalten!

LANDRATH. Nein, ich sagte Ihnen ja, ich schieße auf keinen Menschen.

HERR VON KIEL. Ich muß Ihnen sagen, daß wir uns nicht zum Scherz gegenüberstehen, und daß ich diese Schonung nicht erwiedern werde.

LANDRATH. Dazu wollte ich Sie auch nicht veranlassen, schießen Sie.

HERR VON KIEL zielt lange, setzt ab, steht nach der Pfanne.[212]

LANDRATH. Sie nehmen sich Zeit, Herr von Kiel.

HERR VON KIEL. Noch einmal, wollen Sie ohne Weiteres Ihre Ausdrücke zurücknehmen?

LANDRATH. Ich habe Ihnen meine Bedingungen gesagt, schießen Sie nur. Hr. von Kiel schlägt an. Pause. Ihre Hand zittert, Sie werden nicht treffen.

HERR VON KIEL. Ich will auch nicht, ich bin befriedigt. Sie sind ein Mann, der das Herz auf dem rechten Fleck hat.

LANDRATH. Finden Sie? –

HERR VON KIEL. Ich nehme Ihre angebotene Satisfaction an.

LANDRATH. O über das Kinderspiel. Und ich Narr habe mich wirklich auch dazu verleiten lassen.


Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 209-213.
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