5. Königin Mercedes

[209] »Seit dem letzten Sonnenstrahl

O wie weit die Reise!

Weiter, weiter tausendmal

Als vom Kind zum Greise!

Jüngst erst auf der Mutter Schoß

Ihr am Busen lagst du;

Nun die Größten, riesengroß,

Plötzlich überragst du.«

(A.F. von Schack.)


Nicht in deiner Trabanten Trosse,

Von der Königin Lächeln beglückt

Als betreßter Schranzen Genosse,

Nicht da droben im Zauberschlosse

Hätte der Dichter sich tief gebückt.

Deinem Glanze stand er ferne,

Majestät! doch er hätte gerne

Für die kleine Braut eine Rose gepflückt.


Für das tändelnde Kind eine Rose,

Nicht erfüllt von berauschendem Duft;

Nein! wie dort, in ärmlichem Moose,

Die bescheidene, dornenlose,[210]

Dort nur gedeiht in der Alpenluft.

Majestät! aus seidenen Kissen

Hat der Wüstenwind dich gerissen

Und die Rosen gestreut auf des Kindes Gruft.


O warum, nach des Fatums Willen,

Wendet sich meiner Gedanken Flug

Lieber zu den verschämten, stillen

Als zu königlichen Idyllen,

Als zu Schalmeien und Fackelzug?

Und warum sind goldne Räume

Für der Menschheit lieblichste Träume,

Für Philemon und Baucis nicht weit genug?

Quelle:
Ludwig Ferdinand Schmid: Dranmor’s Gesammelte Dichtungen, Frauenfeld 41900, S. 209-211.
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