2. Die Fischerhütte

[5] »Das Meer der Jugend, wogend und hoffnungsreich,

Wie lacht' es einst dir, brandend in Wonnesturm!

Nun kannst du still am Strande gehen,

Muscheln und Trümmer im Sande suchend.«

(Julius Große.)


Ich grüße dich, verlass'nes Fischerhaus!

Wie oft von deiner meerbespülten Schwelle

Blickt ich verlangend in die Nacht hinaus,

Die tropenwarme, sternenhelle!

Nun ist es wieder, wie es damals war,

Noch funkeln goldne Thränen dort im Sande,

Ein ew'ger Sommer waltet noch im Lande,

Und nur mein Herz ist aller Freude bar.

Doch damals – ob ich wachte oder schlief,

Nie war ich so verwaist, so ganz allein,

Denn ferne Liebe stillte meine Pein,

Und jeden Monat kam ein Brief – ein Brief.


Wohl hundertmal, beim Rauschen der See,

Las ich und las, um jedes Wort zu deuten;

Ich teilte Freude und Weh

Mit den armen Fischersleuten;[6]

Ich ging umher auf dem sandigen Plan,

Bis der Gestirne Glanz erblich,

Und der gewaltige Ocean

Weinte um sie und um mich.


Doch nun, ihr leuchtenden Dünen,

Was soll der Wellen Gesang?

Nordische Brandung verschlang

Den Myrtenzweig mir, den grünen.

Sie lebt – nur ihr Herz ist umnachtet,

Ich lebe – arm und verachtet;

Ewig dahin ist die Jugendlust.

Wo find' ich Trost? Ich kenne keinen, keinen

Hier oder dort – auch nicht an Freundesbrust

Möcht' ich über mein Elend weinen;

Kenne mich selbst nicht mehr,

Vergessen bin ich, veraltet,

Und Lava, halb erkaltet,

Roll' ich im Busen hin und her,

Nach einsam verträumter Jugendzeit,

Wie ein Vulkan, der nicht mehr Feuer speit.


O meine süße Dame!

Was bist du mir? Ein stets geliebter Name.

Was bin ich dir? Ein Vorwurf. Doch gesetzt,

Wir würden noch Papier und Feder brauchen,

Um schmerzliche Gefühle auszuhauchen,

Wie anders – anders schrieben wir uns jetzt!

Quelle:
Ludwig Ferdinand Schmid: Dranmor’s Gesammelte Dichtungen, Frauenfeld 41900, S. 5-7.
Lizenz:
Kategorien: