21. An C.P.

[128] Ein Brief, entsandt von jenen Brettern,

Wo deine Kunst mich einst entzückt?

O Freundin! Die bekannten Lettern,

Wie haben die mich neu beglückt!

Nun winken mir so süße Bilder,

Nun scheint die Zukunft wieder milder

Und nahe die Vergangenheit;

Stern, der mich einst geblendet,

Dein Licht ist nicht verschwendet

In dieser grünen Einsamkeit.


Da mir die Jugend täglich schwindet,

Und da mein Herz, zu spät belehrt,

Haß und Verachtung nur empfindet

Für vieles, was ich sonst gelehrt;

Da seine Seufzer längst verklungen,

Ach! nur von Zärtlichkeit durchdrungen

Für dich, so wird es jederzeit

Zwar schmerzlich dich vermissen,

Doch dich zu ehren wissen

In dieser grünen Einsamkeit.
[129]

Ich weiß, du bist nicht zu bedauern

Dort in dem glanzerfüllten Saal;

Dich läßt das Schicksal nicht verbauern

In einem stillen Palmenthal;

Doch drücken dich die seidnen Kleider,

Dann gönne mir verblüffte Neider,

Dann denk' an mich und fliehe weit

Und übers Weltmeer steure

Zu mir, du Holde, Teure,

Nach dieser grünen Einsamkeit.


Will dir dereinst nicht mehr gefallen,

Was jetzt dein junges Herz erfreut,

Dann laß die Schmeichler und Vasallen

Und alles, was die Sonne scheut;

Dann laß, wohin dein Freund verschlagen,

Dich die beschwingten Füßchen tragen –

Sieh! Seine Hütte steht bereit

Für dich zu jeder Stunde.

Geliebte, komm! Gesunde

In dieser grünen Einsamkeit.

Quelle:
Ludwig Ferdinand Schmid: Dranmor’s Gesammelte Dichtungen, Frauenfeld 41900, S. 128-130.
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