[134] »C'est moi qui te dois tout, puisque c'est moi qui t'aime«
(Voltaire.)
Was ich bin und was ich habe,
Liebste! dank ich dir allein;
Ohne dich wo würd' ich sein?
Nirgends als im kalten Grabe.
Doch du hast mich gut gepflegt
Und in Stürmen und Gefahren
Tröstend, schon seit manchen Jahren,
Dich an meine Brust gelegt.
Bösen Kummer, schwarze Grillen,
Weggeplaudert hast du sie.
Dich betrüben mocht' ich nie;
Immer that ich deinen Willen,
Und wie wenig meiner Art
Kinderlaunen sonst behagen,
Dir verzeih' ich alle Plagen,
Die selbst du mir nicht erspart.
Und es kommt mir sehr zu statten,
Daß du keine Dame bist
Voller Trug und Hinterlist,
Keiner Schwiegermutter Schatten,[135]
Keine Puppe, steif und stolz,
Gleich verwundert und betroffen,
Angethan mit schweren Stoffen,
Und darunter leichtes Holz.
Nein! Von wohlgeratnem Gusse
Bist du, fein und zierlich zwar,
Wie ich's liebe, ganz und gar;
Aber von des Unglücks Kusse
Blieben deine Lippen bleich.
Deshalb nenn' ich dich die Meine,
Und dein Herz, du arme Kleine,
Macht mich unermeßlich reich.
Zitternd kamst du hergeflogen,
Und der Klausner hielt dich fest;
Seines Strebens ganzen Rest
Hat dein Lächeln aufgewogen;
Kind und Gattin bist du mir –
Alle Dichter schwärmen gerne;
Aber selbst aus dunkler Ferne
Kam ich wieder heim zu dir.
Hätt' ich jene Riesenfeder,
In des Aetnas Schlund getaucht,
Die ein andrer schon gebraucht,1
Lesen müßte bald ein jeder,[136]
Was ich mit gewalt'ger Hand
An die Himmelsdecke schriebe
Der zu Ehren, die ich liebe,
Deren Herz das meine fand.
Doch wie konnt' ich daran denken,
Ich, ein sonst vernünft'ger Mann,
Was sie gar nicht lesen kann,
Deutsche Verse ihr zu schenken?
Ach! ich habe jederzeit
Das nur niederschreiben wollen,
Was dem Herzen mir entquollen,
Nicht der Dichtereitelkeit.
Laß denn die Poetengabe
Diesmal dir willkommen sein;
Was ich hier für dich allein
Schüchtern eingeschaltet habe,
Ist nur deshalb ein Gedicht,
Weil ich nicht genug gepriesen
Was du Liebes mir erwiesen,
Aber das – das glaubst du nicht.
(1864.)
1 Und mit solch' feuergetränkter Riesenfeder
Schreib' ich an die dunkle Himmelsdecke:
»Agnes! ich liebe dich! –«
(Heine.)
Buchempfehlung
Der neurotische Tiberius Kneigt, ein Freund des Erzählers, begegnet auf einem Waldspaziergang einem Mädchen mit einem Korb voller Erdbeeren, die sie ihm nicht verkaufen will, ihm aber »einen ganz kleinen Teil derselben« schenkt. Die idyllische Liebesgeschichte schildert die Gesundung eines an Zwangsvorstellungen leidenden »Narren«, als dessen sexuelle Hemmungen sich lösen.
52 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro