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Von einem Mädchen, welches dreymal begraben wurde.

[225] Diese Geschichte, sagt Herr Winslow, ist mit solchen Umständen begleitet, die zwar von so sonderlich grosser Wichtigkeit nicht sind, gleichwohl aber mit unserer Materie in einem mittelbaren Verhältniß stehen. (Dissert. von der Ungewisheit der Kennzeichen des Todes etc.) Ich habe sie von dem Herrn von Egly, der den besten Theil derselben wohl dreyßigmal von der Heldin dieser Geschichte selbst hat erzählen hören. Sie kann gegenwärtig nicht älter als beyläufig dreysig Jahre seyn.


Herr Devaux, ein Wundarzt von S. Cosme, in der S. Antons Strasse wohnhaft, hatte zwey Jungfern in seinem Hauß, deren Magd dreymal[225] zu Grab getragen wurde, und die das drittemal nicht eher wieder zu sich kame, als da man sie schon in das Grab hinunter lassen wollte. Die Fertigkeit, die sie erlanget hatte, den Tod so vollkommen nachzumachen, daß jedermann dadurch betrogen wurde, verursachte so viel Mißtrauen, daß man, da sie wirklich sturbe, es nicht wagen wollte, den vierten Irrthum zu begehen; weswegen man sie sechs Tage lang in dem Hauß behielte, ehe man sie begraben liese.


Plinius erzählet in dem 52. Cap. des siebenden Buches seiner Naturgeschichte, daß Acilius Aviola, ein Mann von vornehmen Stand, weil er Consul gewesen war, auf dem Scheiterhaufen wieder zu sich kam, und, weil man ihm wegen der Heftigkeit des Feuers, das schon zu weit um sich gegriffen hatte, nicht zu Hülfe kommen konnte, lebendig verbrannt wurde. Dem Lucius Lamia, der Prätor gewesen war, begegnete eben dieser Zufall. Diese beyden grausamen Zufälle werden auch von dem Valerius Maximus erzählet. Coelius Tubero kam glücklicher davon, dann er gab noch zur rechten Zeit Kennzeichen des Lebens von sich, wodurch er dem betrübten Schicksal seiner Mitbürger entgienge.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 225-226.
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