CXVII.

Des Herrn Dovars Methode die Schwindsucht mit Erfrischungen und starken Aderlassen zu curiren.

[250] Unter allen Krankheiten scheinet wohl die Schwindsucht am allerwenigsten den häufigen Gebrauch des Aderlassens ausstehen zu können. Inzwischen zeigte sich vor ohngefähr dreysig Jahren zu London ein berühmter Arzt Namens Dovar, der sich sonst gar keines andern Mittels wider alle Arten der Schwindsucht bediente, als daß er denen, die von dieser Krankheit entkräftet wurden, dreysig, vierzig, ja wohl funfzigmal zur Ader liese. Man kann sich leicht vorstellen, daß Herr Dovar das Vergnügen nicht hatte, seine Methode zu London ruhig und ungehindert einführen zu können; sie wurde von den Aerzten angegriffen, er wurde selbst angegriffen, wie es die Mode mit sich bringt; was[250] konnte man aber wider einen Mann einwenden, der ihren Spottreden lauter glückliche Fälle entgegen setzte. Dovar curirte, wenn man dem Werk, das er kurz vor seinem Tod herausgabe,1 Glauben beymessen will, mit seiner Methode alle Schwindsüchtige, die er unter seinen Händen gehabt hatte. Einer meiner Freunde, sagt er, war seinem Ende so nahe, daß er sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Ich beredete ihn, daß er sich vierzehen Tage lang, täglich sechs Unzen, darauf in den andern vierzehen Tagen allezeit über den andern Tag wieder sechs Unzen, nachgehends jedesmal nach zwey, dann nach drey Tagen, und endlich alle fünf Tage eben so viel Blut aus der Ader lassen sollte. Dieses war im Monat November: Den dritten Merz darauf kam er einstmalen von Eveshan nach Bristol2 zu Pferd zu mir, und dankte mir, daß ich ihm zu seiner Gesundheit wieder verholfen hätte. Er lebte noch verschiedene Jahre nachher, ob gleich seine ganze Familie an der Schwindsucht gestorben war. Ich liese einem andern Schwindsüchtigen, mit dem es ebenfals[251] schon auf das äusserste gekommen war, wenigstens funfzigmal zur Ader, der dadurch in kurzem seine Gesundheit wieder erlangte, und sich nachhero besser als jemals befande.


Ich hätte noch andere Kranke anführen können, die durch den häufigen Gebrauch der Aderlässen curiret wurden. Es gehörte viele Verwegenheit dazu, sich vorstellen zu können, daß selbige ein so schwer zu heilendes Uebel sollten vertreiben können, und noch mehr, es zu wagen, sie wirklich zu unternehmen.

Fußnoten

1 Vermächtnisse eines alten Arztes an sein Vaterland, welche eine Sammlung alles dessen was ihm in einer 49jährigen Praxis begegnet ist, in sich enthalten etc. Haag, 1734.


2 Diese beyden Städte, liegen 47. Meilen weit von einander.


Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 250-252.
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