LIX.

Eine gänzliche Verstopfung des Harns, die von Steinen in dem Herzen und unter der Zunge verursachet wurde.

[123] Wie schwer ist es bisweilen, die Ursache, den Sitz und den Ursprung einer Krankheit zu[123] erkennen, die man vertreiben will! Welcher Arzt würde sich in dem Fall, welchen Hollier in seinen Anmerkungen über das funfzigste Capitel des ersten Buchs seiner Praxis anführet, nicht betrogen haben. Er saget, daß er eine Frau, die gestorben war, und vorhero vier ganzer Monat lang, wenn sie den Urin gelassen, unerträgliche Schmerzen gelitten, alsdenn mit dem Urin zugleich eine grosse Menge Eiter von sich gegeben hatte, habe öfnen lassen; daß er die Nieren, die Blase und die andern Theile der Urin-Gänge, so wie im übrigen den ganzen Körper, gesund befunden habe, bis auf das Herz, in welchem sich zwey kleine Steine, und unterschiedliche kleine Geschwüre befanden, von welchen allem Vermuthen nach der Eiter, der mit dem Urin gienge, herkame.


Wir haben in dem medicinischen Tagebuch im Jahr 1760. einen diesem sehr ähnlichen und eben so erstaunlichen Umstand gelesen; Herr Dumonchau verordneter Medicus über die Feld-Spitäler zu Douai, der diesen Umstand berichtet, sagt, daß eine Bauersfrau, welche länger als sechs Monat an einer Verstopfung des Urins litte, und den tödlichen Wirkungen dieser Krankheit nicht anderst als vermittelst eines Durchfalles entgienge, der sie aber auszehrte, einstmalen spürte, daß sich unter ihrer Zunge eine Geschwulst ansezte, und daß, nachdem[124] dieses Uebel so sehr über Hand nahme, daß man befürchten muste, sie mögte daran ersticken, sich diese Geschwulst öfnete, und einen Stein, einen wirklichen calculum heraus triebe; so bald dieser besondere Körper heraus war, so kam der Urin wieder in seiner gewöhnlichen Farb zum Vorschein, der Durchfall liese nach, und die Kranke erhielte wiederum ihre Gesundheit.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 123-125.
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