LXXXIV.

Eine Frau eines Lüttichischen von Adels starb in ihrer fünften Schwangerschaft, weil sie sich ihre Nativität hatte stellen lassen.

[187] Eine verwirrte Einbildungskraft erreget bisweilen solche Unordnungen in dem Körper, die in die Länge tödlich werden. Man hat gesehen, daß manche schwache Personen, die von einer unbesonnenen und widrigen Prophezeyung eingenommen waren, solche durch ihre Furcht wahr gemachet haben. Henrich Heers hat unter seinen Bemerkungen ein Beyspiel angeführet, das zu einem hinlänglichen Beweiß davon dienet. Die Frau eines Lüttichischen von Adel kam viermal glücklich nieder; sie wurde zum fünftenmal schwanger. Je mehr die Zeit ihrer Niederkunft herannahete, je mehr verwehrte sich die Furcht, die sie für den Tod gefasset hatte, in ihr: sie hatte sich eingebildet, daß dieses ihre letzte Schwangerschaft seye. Sie wendete die ganze Zeit ihrer Schwangerschaft zu Vorbereitungen des Todes an. Es halfen keine Vorstellungen bey ihr, daß diese Furcht ungegründet, lächerlich und gefährlich seye, sie beharrte immerfort auf der Meynung, daß sie in dieser Schwangerschaft sterben würde. Zu Ende des achten Monats machte sie ihr Testament, und einige Tage darauf[188] fande man sie tod in ihrem Bett. Ein Wahrsager hatte ihr gesagt, sie sollte sich hüten, fünf Kinder zu bekommen, weil sie in der fünften Schwangerschaft sterben würde, und diese Prophezeyung hatte ihre Einbildungskraft in Unordnung gebracht.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 187-189.
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