Träwm seind lůgen.

[244] Die Naturkündiger / als Aristoteles vnnd andere / machen in des menschen haupt fünff kamern / die ärtzt machen jr drei. Die erste kamer ist vornen in der stirn / des Sensus communis, das ist einer solchen krafft /die einnimpt alles was die fünff sinn zu jr bringen. Das aug sihet etwas / das ohr höret / die zung schmeckt / die nase reucht / die haut fůlet. Dise krafft zeucht die sinn vom wesen / vnd empfahet sie / also daß sie weyß / was die sinn gesehen / gehört / gerochen / griffen vnd geschmeckt haben / als were es noch vorhanden / daher es kompt / daß sie sagen: Species lapidis est in anima, non lapis, Der steyn ist nit in meiner[244] seele / den ich gesehen habe sonder sein gestalt. Die ander kamer zur seiten / Imaginatiua, also daß man eim ding weiter nachdenckt. Die drit kamer ist Phantasia, wann man die gedāken von etwas gegen einander halt / vnn klaubet herauß welchs das best ist. Die vierdt kamer ist des verstands vnd der vernunfft kamer mit dem willen. Hie wirt geschlossen / was zuthůn vnd zulassen ist / anzunemen vnd außzuschlagen. Die fünfft kamer ist der Memorien / hinden im haupt / des gedächtniß kamer / also daß wir der ding die wir gsehen haben / begriffen vnd gefasset / daruon wir auch mit gedancken gerathschlagt vnd geschlossen haben / was zuthůn vnnd zulassen sei / nit vergessen künden. Die ärtzt nemen die ersten drei für eins / vnn heyssen es Sensum communem, oder Imaginationem, vnd setzen jn in den ersten uentriculum des gehirns. Die vernūfft setzen sie in den andern ventriculum / das gedächtniß inn den dritten / vnnd ich halt / es sei besser dann das erste. Wann nun gleich des menschen leib růwet vnnd schlafft / so růwet doch die seel vnd gedancken nit. Dann die seel hat perpetuam agitationem, ein ewigs schaffen vnd wircken / oder leben. Darumb weil die gestalt der ding in Sensu communi seind / so dunckt den menschen er sehe / er habe / er greiffe / er höre /vnd gehe mit dem ding vmb / daran er des tags vil vnd offt gedacht / vnd daruon geredt hat / das ist dann ein traum.

Moyses schreibt / daß Gott sagt: Er wölle den Judē auff dreierley weise zu wissen thůn / was sein will sei / durch mündtlichs reden / durch gesicht / vnd durch träum. Hie müssen ie die träum nit nichts sein. Mit Moyse redet Gott mündtlich durch einn Engel / da er den Juden das gesätz gabe. Mit Abraham auch / da Gott wolt Sodomam vnnd Gomorrham mit dem feur vertilgen / vnd mit andern mer. Mit Joseph vnnd Daniel redet Gott durch träume / wie das bůch Genesis /Exodus / vnd Daniel meldet. Mit gesichten hat er geredt mit Esaia / Ezechiel / vnd vil andern Propheten.

Die Heyden bei den Griechen vnnd Rhömern / habens auch auß gewisser erfarung / dz träum vnderweilen die warheyt mit sich bringen. Eim weib in Sicilien / Himera / träumet / wie sie im himel wer / vnd sehe einn grossen starcken mann / bleych / geel gestalt /vnnd mit vil sprissen vndern augen / fest mit ketten gebunden / dem Jupiter zun fůssen ligen. Vnnd da sie den jüngling / der sie gen himel gefürt het / fraget /wer der were? ward jr geantwort: Diser solt zum verderben Sicilien vnd Italien / loß gelassen werden / des andern tags macht sie den traum offenbar. Nun war der Dionysius / der hernach jr herr ward / vnbekant /vnn niemand wüßte von jm zusagen. Do er aber König in Sicilien ward / vnd name das land ein /gieng dise fraw / vnnd wolte den newen[245] König sehen einziehen / den sie nit kante. Vnd da sie den Dionysium sihet / schreiet sie überlaut: O wee / o wehe / Das ist der / den ich im traum gesehen habe / nun wirt vns kein glück angehn.

Es hat einem auff ein zeit geträumet: Er solt gen Regenspurg gehn auff die brucken / da solt er reich werden / Er ist auch hingangen / vnnd da er einn tag oder vierzehen allda gangen hat / ist ein reicher kauffmann zů jhm kommen / der sich gewundert hat / was er alle tag auff der brucken mache / vnnd jn gefragt /was er da sůche? Diser antwort: Es hab jm geträumet / er soll ghen Regenspurg auff die brucken gehn / da werde er reich werden / Ach sagt der kauffmann: Was sagstu von träumen / träum seind lugen / Es hat mir wol geträumet / daß vnder jhenem grossen baum (vnn zeygt jm den baum) ein grosser kessel mit gelt begraben sei / aber ich acht sein nit / dann träum seind lügen. Diser gräbt vnderm baum ein / findt einn grossen schatz / wirt reich / vnd sein traum wirt bestetigt.

Der schlaff vnnd die träum geben zuuerstehen /welche auß den vier humoribus die überhand habe. Träumet einem von freuden / singen / springen / vnd andern freudenspilen / so ists vom geblüt. Träumet iemandt von schlagen / würgen / vnd kriegen / so ists Cholera. Träumet iemand von todten / vnd andern schrecklichen dingen / so ists Melancholia.

Schlafft auch iemand so hart / daß er schwerlich erwachen kan / so ist es Phlegma / darumm seind träum etwas. Aber zükünfftige ding darauß zuerlernen / das ist allein ein Gottsgabe / wie droben gesagt ist / der sich niemand leichtlich vnderstehn soll / er hab sie dann.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 244-246.
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