Klage

[209] Ich hab manch Lied geschrieben,

Die Seele war voll Lust,

Von treuem Tun und Lieben,

Das Beste, was ich wußt.


Was mir das Herz bewogen,

Das sagte treu mein Mund,[209]

Und das ist nicht erlogen,

Was kommt aus Herzensgrund.


Liebchen wußt's nicht zu deuten

Und lacht' mir ins Gesicht,

Dreht' sich zu andern Leuten

Und achtet's weiter nicht.


Und spielt mit manchem Tropfe,

Weil ich so tief betrübt.

Mir ist so dumm im Kopfe,

Als wär ich nicht verliebt.


Ach Gott, wem soll ich trauen?

Will Sie mich nicht verstehn,

Tun all so fremde schauen,

Und alles muß vergehn.


Und alles irrt zerstreuet –

Sie ist so schön und rot –

Ich hab nichts, was mich freuet,

Wär ich viel lieber tot!


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 209-210.
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