Am Strom

[241] Der Fluß glitt einsam hin und rauschte,

Wie sonst, noch immer, immerfort,

Ich stand am Strand gelehnt und lauschte,

Ach, was ich liebt, war lange fort!

Kein Laut, kein Windeshauch, kein Singen

Ging durch den weiten Mittag schwül,

Verträumt die stillen Weiden hingen

Hinab bis in die Wellen kühl.


Die waren alle wie Sirenen

Mit feuchtem, langem, grünem Haar,

Und von der alten Zeit voll Sehnen

Sie sangen leis und wunderbar.

Sing Weide, singe, grüne Weide!

Wie Stimmen aus der Liebsten Grab

Zieht mich dein heimlich Lied voll Leide

Zum Strom von Wehmut mit hinab.


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 241.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1841)
Gedichte
Fünfzig Gedichte
Und es schweifen leise Schauer: Gedichte (Lyrik)
Sämtliche Gedichte und Versepen
Gedichte (Fiction, Poetry & Drama)