Die Riesen

[298] Hoch über blauen Bergen

Da steht ein schönes Schloß,

Das hütet von Gezwergen

Ein wunderlicher Troß.


Da ist ein Lautenschlagen

Und Singen insgemein,

Die Lüfte es vertragen

Weit in das Land hinein.[298]


Und wenn die Länder schweigen,

Funkelnd im Abendtau,

Soll manchmal dort sich zeigen

Eine wunderschöne Frau.


Da schworen alle Riesen,

Zu holen sie als Braut,

Mit Leitern da und Spießen

Sie stapften gleich durchs Kraut.


Da krachte manche Leiter,

Sie wunderten sich sehr:

Die Wildnis wuchs, je weiter

Je höher rings umher.


Sie waren recht bei Stimme

Und zankten um ihren Schatz,

Und fluchten in großem Grimme,

Und fanden nicht den Platz.


Und bei dem Lärm sie stunden

In Wolken bis an die Knie,

Das Schloß, das war verschwunden,

Und wußten gar nicht wie. –


Aber wie ein Regenbogen

Glänzt's droben durch die Luft,

Sie hatt indes gezogen

Neue Gärten in den Duft.


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 298-299.
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