6. Gesang

[83] Und der Alte ruft aus dem Himmelreich:

"Ist's trocken drunten? Ich komme sogleich!

Ich glaub' es ist gescheidter,

Du legst an den Bogen die Leiter."


"Festhalten! So. Nun Gott sei Dank!

Die Feuchtigkeit macht mir die Engel krank.

Gottlob! jetzt ist's vorüber!

Ich schenke Dir meine Züber!"


Schon recht, sagt der Noah, das aber ist

Nicht viel mit Erlaubniß; ich dächt' Ihr wißt,

Daß Ihr mir die Wirthschaft ruiniret,

Und daß ich das Vieh Euch salviret.


"So bitte Dir schnell eine Gnade aus!

Keine Komplimente! Nur grad' heraus!

Willst was, das ich verboten?

Oder sprich, willst Du jetzt Rothen?"


Das wär's! versetzet der Schwanenwirth.

So ein Affenthaler! Ich bin ruinirt.

Der Schwanen wird wieder floriren;

Wollt Ihr mir Rothen spendiren.


"Den sollst Du haben," der Herrgott sagt,

Doch hab' ich noch gar nicht nachgefragt

Nach meinen armen Tröpfen,

Nach meinen lieben Geschöpfen!"
[83]

S'ist Alles in Ordnung, Herr Zebraoth!

Nur eines machte mir schwere Noth,

Die schönen Mammuthsknochen

Die sind mir leider zerbrochen.


"Thut nichts! Es war das ein plumpes Vieh,

Und schickte sich in die Welt auch nie:

Zu groß waren seine Kiefer ...

Was macht das - Ungeziefer?


Das Ungeziefer? Der Noah erschrickt,

Eine Floh-Art hatte er heimlich geknickt,

Auch einige Wanzen vertilget,

Darein Gott der Herr nicht gewill'get.


Schon gut! Es ist vorderhand noch genug

Vorhanden. Ich billige Deinen Unfug,

Muß doch noch mancherlei machen,

Kelleresel zum Beispiel und Drachen."


Dank' schön! so murmelt der Schwanenwirth,

Ich hab' mich nicht in ihm geirrt,

Er bleibt ein Projectenmacher

- Und ich ein uralter Kracher.


Dabei guckt er auf und gibt mir ein' Tritt,

Und merkt, er hat vor sich den Zirkelschmidt,

Und da ruft er siebenmal: oha! -

Aber jetzt hab' ich Durst wie der Noha.


Der Noah soll leben noch tausend Jahr

Und gründen ein manches Mitmenschenpaar,

Die alle Nachkommen haben -

Unter Andern die Knöpflesschwaben!


Fußnoten

1 Auch in rheinschwäbischer Mundart vorhanden.


Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrischer Kehraus. Lahr 1869, S. 83-84.
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