Der Schneider von Pensa

[319] Wer ihn so dastehn sah,

Den Schneider von Pensa,

Dem wird es warm ums Herz,

Ihm rollen die Thränen in das Aug.


Der Kaiser Napoleon

War nach Paris entflohn,

Die Armee, in Eis und Wind,

War gefangen oder todt.


Viele deutschen Brüder ach!

Kamen auch in Noth und Schmach.

Gefangen transportirt

Wurden sie nach Pensa hin.


Sind keine Deutschen da?

Rief der Schneider von Pensa.

Die Worte klangen so süß

In der weiten Fremde draus.


Ihrer dreizehn er auch fand

Aus dem theuren Heimathsland,

Da ward es ihm warm ums Herz

Und er weinte vor Freuden laut.
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Und Jeglichem seines Stamms

Macht er schnell ein warmes Wamms,

Gibt er reichlich Trank und Speis

Und ein weiches Bett zum Ruhn.


Wie da Mancher getröstet schlief

Drin im Feindesland so tief!

Wollte Keinen mehr lassen ziehn

Der brave herrliche Mann.


Und so rief er Tag für Tag,

Weil das Elend ihm ging nah;

Als sie scheiden mußten von ihm

Küßten sie ihm Händ und Füß!


Und gerührt war Jedermann

Von dem was der Schneider gethan!

Und sie dachten, im rauhen Krieg,

Wie schön ist die Lieb und die Treu!

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 319-321.
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