Hochgeehrter Herr!

[106] Wie Herr Pfarrer Klein mir dieser Tage erzählt hat, sind Sie beschäftigt, die Gedichte meines sel. Freundes Biedermaier in einer auserlesenen Sammlung herauszugeben. Ich bin mit Biedermaier von mütterlicher Seite her verwandt und rührt es vielleicht daher, daß auch ich mich viel mit dem Dichtergeschäfte abgegeben habe. Wir sind früher immer gerne zusammen gewesen, da die Stadt, wo ich Buchbinder und großes Ausschußmitglied bin, nicht weit von Biedermaiers Wohnorte liegt. Aber später haben wir etwas Stuß bekommen, denn Biedermaier war eben wegen seines vorgerückten Alters nicht mehr zum Fortschritte zu bewegen, und so sind wir bei der Landstandswahl im Jahre 1834, wo wir Liberalen den berühmten Maier damals durchgesetzt haben, als Wahlmänner etwas hart aneinander gerathen. Denn er stimmte für den Oberamtmann Müller, der doch keine solche Verdienste für Fürst und Vaterland gehabt hat, wie der berühmte Maier, wo ja alle Zeitungen in Europa damals nur von Maiers großen Reden gesprochen haben, und Biedermaier nichtsdestoweniger nahm es auf sich, mir in's Gesicht Maiern einen Unruhmacher, ja, meine Herren, solchen sogar einen Robesbier zu nennen, welches fürchterliche Wort mehr als sieben Schwerter in uns gefahren ist. Denn man hat seit der Zeit, Gottlob, wohl einsehen können, wie gut es der sel. Maier mit der Regierung ebenso, wie mit dem Volke gemeint hat, und wie groß sein Unterschied von[106] denjenigen war, die in den letzten Jahren das liebe Vaterland und alles Gesetz und Ordnung mit verruchten Füßen darniedergetreten haben. Maier hat nur gewollt, was ich auch gewollt habe, und was Sie, meine Herren, gewiß auch gewollt haben, und was Alle gewollt haben, und was wir jetzt auch besitzen, nämlich, keine Censur.

Es würde mich nun freuen, dem Geschiedenen über das Grab hin die Hand zu reichen, indem Sie von meinen Gedichten die schönsten auswählen und denen des edlen Mannes verschwisternd beifügen. Ich gebe Ihnen meinheiliges Ehrenwort, daß es keine niedrige Ehrsucht ist, die mich treibt, sondern einzig und allein die Liebe zu der Dichtermuse und dem sel. Freunde, sowie der Umstand, daß man jetzt nicht mehr so zu sorgen braucht, daß Einem seine besten Sachen durch die Censur verhunzt werden.


Mit Achtung ergebenster

H. Treuherz, großes Ausschußmitglied

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrische Karrikaturen, Lahr 1869, S. 106-107.
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