Hymnus auf Schiller

[126] Wer wird nach Klopstock fragen,

So lang der Schiller geht,

Wer sich mit Platon plagen,

Den Niemand nicht versteht;

Komm' Einer her, was will er,

Er findet es im Schiller.


Das Menschenherz zu rühren,

Gelang ihm früh und spat,

Man kann es deklamiren,

Was er gerichtet hat.

Des Lebens höchste Zieler

Erflog der muth'ge Schiller.


Niemals in frechen Scherzen

Verletzt er die Moral,

Ihm ging ja stets zu Herzen

Das große Ideal.

Kein Mensch war difficiller

Als seiner Zeit der Schiller.


Auf allen seinen Blättern

Ist Tugend und Geduld,

Und an den griech'schen Göttern

Ist mehr der Göthe schuld.

Denn immer zeigt als Stiller.

Sich der erhab'ne Schiller.
[126]

Zwar manchmal wollt' er weichen

Vom rechten Pfad abseits,

Doch kroch er dann desgleichen

Auch wieder gern zum Kreuz.

Und nicht um's Leben fiel er

Vom lieben Gott ab, Schiller.


Daß er das Laster haßte,

Zeigt deutlich Karl von Moor,

Mit Bürgerglück nicht spaßte,

Kommt im Fiasko vor.

Doch war er gar kein Wühler

Der edelherz'ge Schiller.


In der Kabal' und Liebe

Merkt man, was ehrbar ist,

Der Freundschaft hohe Triebe

Man in Don Carlos liest.

Den Posa und den Miller

Erfindet nur ein Schiller.


Die Religion vergöttert

Er in der Jungfrau hell,

Die Tyrannei verwettert

Er kühn im Wilhelm Tell.

Ein Scheußlichkeitsverhüller

War niemals Friedrich Schiller.


Die Wunder seines Geistes

Im Räthsel ich erblick';

Die Glocke ist, so heißt es,

Ein wahres Meisterstück.

Und selbst der Doktor Brüller

Schreibt ab aus seinem Schiller.
[127]

Des Schicksals dumpf Getöse

Bricht in der Braut herein,

Und als gefall'ne Größe

Warnt uns der Wallenstein.

Denn keinen rothen Heller

Gibt auf den Ehrgeiz Schiller.


Und die Maria Stuart

Nimmt auch kein gutes End,

Schon darum dürft' in Stuggart

Besteh'n sein Monument,

Deß fürstlicher Enthüller

Entschädigt hat den Schiller.


Getilgt sind seine Schulden!

Und Cotta obenan

Hat mit viel Tausend Gulden

Die Kinder abgethan.

Ach, Mezger oft und Müller

Verklagten ehmals Schiller!


Doch jetzt ist er im Himmel

Und jetzt geht es ihm gut,

Wo er vom Weltgetümmel

Auf einem Lorbeer ruht.

War Einer bräver, stiller

Als der bescheid'ne Schiller?


Die eingefall'nen Backen

Schwillt jetzt ein Zephyr an,

Von vorn und hinten packen

Ihn große Männer an.

Stets lichter und stets heller

Verklärt sich unser Schiller.
[128]

Deß freu'n sich alle Menschen,

Die für das Gute sind,

Und Böses kann ihm wünschen

Nur wer ihn gar nicht kennt.

Denn Schlegel blos und Kriller

Mißhandeln unsern Schiller.


Sein Fürst verstand ihn besser,

Da herrscht nur eine Stimm';

Er macht ihn zum Professer

Und gab den Adel ihm.

Drum mit dem höchsten Triller

Schließ' ich mein Lied auf Schiller.

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrische Karrikaturen, Lahr 1869, S. 126-129.
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