Heinrich's letzter Gedanke,

[12] (den er sieben Jahre vor seinem Ende deponirt hat.)


Mich langeweilt das Carroussel,

Die Freiheit, die Lectüre;

Der Lieder murmelreicher Quell

Zur Gosse sich verliere!


Ich, des Jahrhunderts Dichterheld,

Verrufe mein glänzendstes Dictum,

Ich rufe hinaus in die nachtende Welt:

Cacatum non est pictum!


Da steh' ich so ganz, so gar allein,

Und seufz' an dritten Orten,

Ich lebe, das allerbrillanteste Schwein

Aus Epikurs Cohorten.


Aufrichtig war ich ein Royalist,

Die Iulisonne im Herzen,

Ich ende, ein Protestant und Christ,

Mit heftigen Judenschmerzen.


Katholisch zu werden steht mir nah,

Ich war ja immer katholisch,

Wenn ich Signora knieen sah,

Die Taille tiefmelancholisch.


Die jauchzenden Völker an meinem Sarg,

Sie brechen in wildes Geheul aus,

Es brechen Laster, tantalisch arg,

Und vorprometheische Gräu'l aus.
[12]

Es hauchen die Rosen Leichenduft,

Das Kichern verlernen die Veilchen,

Und lüstern balgen an meiner Gruft

Die Hexen sich mit den Heil'gen.


Die Sonne tröpfelt als siedendes Gold

In die Rachen der Pharisäer,

Der Mond vom Himmel herunterrollt

Auf den Papst und seine Schwäher.


Das jüngste Gericht erscheint alsbald

Mit dem liebenswürdigen Leviathan,

Und hinter dem Finger der Vorsehung krallt

Seine Teufelsfaust der Satan.


Und doch hat Niemand für soviel Geld

So feine Lieder gedichtet;

Ich habe die Nothdurft der halben Welt

Durch meine Werke verrichtet.


Verleger mein, verzeihe du mir,

Weil ich jetzt nimmer dich rühre,

Bedenke, daß ich ein Laxier

Statt Versen bei mir führe.


Mein liebes Liebchen, wenn du weinst,

Daß ich dich habe vergessen,

Bedenke, daß die Trüffeln einst

Ich wundersgern gegessen.


Mein holdes, angetrautes Weib,

Du wirst mir nicht entlaufen,

Und wenn, so wünsch' ich dir Zeitvertreib,

Dein Bett will ich verkaufen.


Mein süßes deutsches Publikum,

Dein Liebster war ich ja immer,

Besorge nur ferner meinen Ruhm,

Es fällt auf dich der Schimmer.
[13]

Jehova mein, erbarme dich,

Daß ich dich oftmals betrübet,

Du liebest alle Menschen, ich

Hab' jedes Mensch geliebet.


Du schufest die Gans mit Vorbedacht,

Ochs, Esel zu deinem Preise;

Sofern' ich auch was Dummes gemacht,

Geschah's plagiatorischerweise.


Nun schwebet mir vor nichts Anderes als

Der Weltnachtstuhl voll Schwankes,

Ich walle, den Strick um den weißen Hals,

Zum seligen Strome Ganges.


Ich mache dort in der Gegend herum

Das Paradies ausfindig

Ich werde als wie ein Erzengel dumm,

Wie Adam und Eva unmündig.


Gazellenaugen glotzen mich an,

Die Lotos bekomplimentirt mich,

Den Buckel küßt mir ein heiliger Mann,

Und eine Lady skizzirt mich.


Ich hänge mich auf am Palmenbaum

Wie Absalon mit den Haaren,

Versunken in dattelsüßlieben Traum,

Ankommt mich's, abzufahren.


Einst, wenn sie nimmer wird drangsalirt

Die Welt, so wett' ich, daß man

Zu meinem Grabe pilgern wird,

Implicite Tullius Maßmann.

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrische Karrikaturen, Lahr 1869, S. 12-14.
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