Lenautiker

[24] Motto: Schwanger mit Bergen sie geh'n und heraus o du Graus, eine Maus kommt.


Auf meine Liebe, die seitdem verwest,

Wie Geier gierig über Leichen,

Hinstürzten wieder der Verzweiflungspest

Gluthäugige Gedanken ohne Weichen:

Erinnerung, des Wahnsinns Mutter, sie,

Sammt ihrer hurtigen Schwester, Phantasie,

Erfaßte mich auf öder, weiter Reise –

Genossen, die der Zufall zu mir spie,

Schreckten die Geier und die Speise.


Durch's Thor der Wolken rollte voll und rund

Die brüllende Gewalt des Donnerlärmes,

Wie Jovis Zorn verkündet durch den Mund

Des fußbeschwingten, redekund'gen Hermes.

Dann Todtenstille – über Moos und Uld,

Gleichwie verstummen wegen arger Schuld,

Gleich einem bösen lastenden Gewissen,

So schweigt der See, daß vor'ge Tageshuld

Ein'n Mord aus seiner Brust gerissen.


Ha, wie der Blitz in's wüste Wasser zischt

Und greller Schein die Felsen blendet,[24]

Nicht anders, wenn ein Hoffnungsstrahl sich mischt

In eine Brust, die qualenvoll verendet.

Jetzt rasseln Schlossen in das bange Thal,

Weiß, groß, gedrängt, in zügelloser Zahl,

Wie Sparterpfeile in den Knäu'l der Perser,

Wie Kürassiere auf der Stätte blut'ger Wahl

Rückprallen vor dem Knall der Mörser.


Und Nacht durchfluthet rauschend die Natur:

Ein Fluch des scheidend zornigen Tages,

Und wieder donnert's wie ein Rütlischwur

Von tausend Männern rauhen Schlages.

So ritten wir durch's krachende Gehölz –

Bis uns der purpurkalte Farbenschmelz

Im Osten schauerte sein Licht entgegen,

Bis, hinter uns der ungeheure Fels,

Wir trabten auf vertrauten Wegen.


Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrische Karrikaturen, Lahr 1869, S. 24-25.
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