Saphirisch-humorphistische Vorlesung

[5] Ihr zittert – daß ich wohl das Köstlichste

Des Köstlichen, doch nein, des göttlichen

D.h. des göttergleichen Ruhmgeschlechts der Schönen:

– Das Frauenauge – den lebend'gen Edelstein

Durch witzige Berührung zu vertrüben,

Durchtrieb'nen Triebs nach Scherzen, lauf Gefahr?

Nicht laufen möcht' ich eben sagen hier –

Im Gegentheil, graziös, doch ohne Kratzfuß –[5]

Gefahr dr'um tanzen, glaubt ihr, werd' ich, wie?

Oho! Der Witz ist selbst ein Edelstein.

Er sprüht und blitzt; obschon er oft auch nur

Der Anstoß-Stein ist; wie er selber

Vom reinsten Wasser – Wasser ist Humor doch,

Weil Feuchtigkeit; und humor heißt ja diese.

Doch hört mich an! Das Frauenauge ist

Gerade wie Electromagnetismus (!!),

Verwendet zum Fernschreiber Telegraf.

(Daß Grafen Schreiber sind, ist seltsam wohl?)

Sagt aber, wer wohl läugnet die Magie

Des Weibs, des himmlischen Magnets,

Der gleichsam wie die magna charta einst

(Entschuld'gen sie den garst'gen, den polit'schen Witz)

Machtvolle Eifersucht erregt –

Und manchen »Magen« schon verdorben hat,

Mag Herrin oder Magd es immer sein,

(An Magdalene oder Maggelone nur erinnr' ich),

Der Schwindel macht und oft zu Grunde richtet ...

Wie die Magyaren jüngst der Demagogenschwindel.

Wer ferner kennt nicht die elegische Kraft,

Die so electrisch aus den Aepfeln blitzt

Des Frauenaugs? 'Ne ganze Batterie

Oft feuert aus 'nem einz'gen Blicke,

Auf uns verlorne Männer appliquirt.

Bei dem Fernschreiber auch ist ja 'ne Batterie,

(Obgleich gewöhnlich Schreiber fern

Gern der Bataille mit der Taille steh'n.)

Doch ferner will ich's detailliren nicht,

Obgleich ich weiter nun erzählen muß.

Saht ihr nicht auf dem jüngsten Maskenball,

Wo tausend Lüstres holdes Glanzmeer strahlten,

Wo Mummenspiel und Muhmen-Schielen spukte,

Saht ihr nicht Manchen da wie den von Mancha steh'n,

Ein schmächtig Schmachtender im Prunkgewühl,

Fernstehen an canelirter Säule,[6]

Säulenstarr (Kameel denkt hier ein Witzbold)

– Da trifft ihn jählings ein lautloses Wort,

Ein luftgeschriebenes Billetdoux,

Ein klanggetragner Schmachtbrief der Natur,

Der auf Orchesters Tönewellen schwimmt,

Ein Seufzer ohne Ton und doch beredt,

Ein Blick aus funkenglühendem Brillant,

Aus jenem Edelstein – dem Frauenaug'.

Telegrafirt ist im Gedankenflug

Im Nu, gleichwie electrisch wirkt der Schlag,

Ein scheu Bekenntniß. –

Ein andres Bild! Seht dort den Eheherrn,

Wie er mit schöngeputzten Damen schäkert –

(Shakspear'scher Sündenbock – ich beuge mich.)

Wie trifft ihn aus der Ferne schnell der Blitz,

Die strafende Gardinenpredigt aus dem Aug'

Der eifersüchtigen Hausfrau. Ist's nicht so?


So stört auch oft ein zürnendzündender Strahl,

Seither des Flugs, flugs aber ganz verflucht,

Im Nu des liebenswürdigen Töchterchens

Kokette Fröhlichkeit (mit Jüngern des Merkur

Oder mit Mars süßschlankgehüftetem Schüler)

Ein telegrafischer Zuchtbrief, prüfend,

Vom Mutterauge.

Und – myriadenfach schreibt solche Briefe

Des Frauenaugs magnetische Batterie

In weit'ste Fern', ha! schneller als der Wind,

Als Fantasie, als Alles, schneller selbst

Als ich, wenn ich dem Recensentenheer

Und unverdientem Lob entrinnen will.

– Der Recensent mit seinem ceterum censeo,

Meliora esse posse omnia, das heißt:

Die Posse ist, daß stets er Zeter schreit.


Allein die Andern, welche loben nur,

Die bringen uns gar oft in Mißkredit[7]

(Und leider meist in einer Miß Kredit,

'nes alten Blaustrumpfs, der kretinenhaft.)

Ihr lacht? Nun ja, ich lache selbst.

Doch ihr, ihr Frauenaugen um mich her

Im Auditorium, nun hört noch dies:

Auch euere Kritik hab' ich ganz stille

Vernommen längst schon und vermerkt,

Gleich hunderten von Recensionsartikeln,

Telegrafirt gar deutlich und direkt

In meines Busens Didaskalia:

Auch Recensionen schleudert Frauenaug'!

Es kritisirt mich gar vom Wirbel bis

Zum letzten Westenknopf – und bis zur Zeh'

Im Feuernu – ich seh' es nur zu gut.

O Electromagnetismus!

Du bist so alt wie das schöne Geschlecht.

Pardon! Sie, andächtige Hörerinnen,

Sind Alle jung. Adieu!

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrische Karrikaturen, Lahr 1869, S. 5-8.
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