12. Szene

[285] Faust – dann Mephistopheles.


FAUST.

Mein Gott! Was habe ich getan!?

Ich rührte kaum den Alten an,

schon sank er hin in Todesnacht!

Mephisto! Das hast du vollbracht!

MEPHISTOPHELES erscheint.

Nur still! Das ist des Lebens Lauf:

Fällt einer, steht ein andrer auf.

Ich half nur nach. Du bist befreit

von einer Unbequemlichkeit.

Die Rechnung läßt in allen Dingen

sich meist auf diesen Nenner bringen.

FAUST.

Es war mein Vater! Kannst du's fassen?

Ich konnt' ihn meiden – doch nicht hassen!

MEPHISTOPHELES.

Wer sich mit eig'nem Werk will tragen,

darf nicht nach seinen Vätern fragen.

FAUST jammernd.

Wenn ich doch bei der Mutter wär'!

MEPHISTOPHELES.

Die alte Dame lebt nicht mehr.

FAUST schreiend auf ihn zu.

Auch das? Ha, Ungeheuer, du!

MEPHISTOPHELES.

Schrei nicht! Den Toten gönn' die Ruh'.

Laß frei uns leben im Verein:

Wer fliegen will, muß ledig sein!

FAUST stöhnend.

Verkauft! Verbrieft! Nun, Teufel, zeige

mir deine Kunst bis an die Neige.

Wer jetzt mich wiederbringt dem Leben,

muß eine Welt aus Angeln heben!

MEPHISTOPHELES.

Nur sachte! Nicht zu groß getan!

Daß solch' ein bißchen Schmerz verraucht,

dazu hat ein gesunder Hahn

noch niemals eine Welt gebraucht.

Wir wollen uns den Hof besehen.

Ein Fest voll Glanz und Weiberduft[285]

pumpt dir bald eine frische Luft

in deine Lungen. Laß uns gehen!


Beide ab.


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 285-286.
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