[273] Man hört hinter der Szene Hanswurst singen.
So geht's auf der Welt,
so ist's auf der Reis':
Bald plagt ein' Hitz' und Kält',
bald beißen ein' die Läus'!
HANSWURST einen Ranzen auf dem Rücken, tritt auf.
O du höchst unterhaltliches Durcheinand'!
Überall kracht's und wurlt's im Land.
Bald is a Krieg, bald a Revoluzi
und bald alle zwei miteinander. Fix kruzi!
A jeder schaut, daß er g'schwind was fischt
und daß ihn sein Bruder dabei nit erwischt.
Das Weib lebt vom Lieben, der Mann vom Schieben
und niemand weiß, was sie früher hab'n trieben.
Der eine spaltet Holz und der andere Haar'
und z'letzt kummens' drauf: 's is a jeder a Narr.
Drum sag' i halt allweil: Das beste is g'wis,
es ist an Wurst, ob ma g'scheit oder a Esel is.
Man spart sich viel Müh' und an Haufen Zeit
zu allerhand Hetz' und Ergötzlichkeit.
Was i zum Beispiel g'rad hab' erleben können,
das werden Sie selber höchst spaßig nennen.
Ich bin da nämlich zum Rechnen und Lesen
bei an jungen Herrn Studiermacher g'wesen
und hab' müssen an allen Wochentagen
ihm sein Prinzipibi in d' Schul' nein tragen.
Na und amal – wer kann denn da was dafür? –
Brauch ich unterweg's pressant a Blattl Papier.
Ich mach mir in meiner Bedrängnuß nix draus
und reiß' halt a Blattl aus'm Schulbüchl' raus.
Drauf leg' i das Büchl – Gott sei Dank! –
noch zur richtigen Stund' in der Schul auf die Bank.
Wie mein Herr dann studier'n will, da kummt's ihm so vor,
es paßt was nit recht. Er kratzt sich am Ohr
und beutelt den Schädel und liest hin und her,[273]
was das für a neuartige Wissenschaft wär'.
Drauf steckt der Präzeptor die Nasen hinein
und sagt: »Dieser Casus tut sonderbar sein!
Quod est nach altem proverbium
ein grammartialisches Unikum.
Wollen den Casus daherowegen
vor's collegio academico legen.
Das collegium academicum
schnüffelt lang an dem Prinzipibi herum
und tät sich sofort in zwei Kriegslager spalten,
die sich gegenseitig für Hornviecher halten.«
Die einen behaupten: »Aha! Oho!
Dies ist ein sogenanntes Qui pro quo!«
Die andern aber, glaub ich, ham's besser verstanden,
die sagten: »Das ist durch ein Schisma entstanden!«
Doch schließlich, da kommt ein Buchbinder d'rauf
und klärt schleunigst das hohe Kollegium auf.
Drauf schreiben die an mein Herrn seinen Alten,
der Herr Filius hätt sie alle zum Narren gehalten
und daß sie hochwissenschäftliche Herrn
und nicht dem Lauswenzl seine Springinkerln wär'n.
Und sie lassen sich nit an der Nasen 'rumführ'n,
und täten den Sohn von der Schul' relegier'n.
Da kriegt der Alte den panischen Schrecken
und holt aus'm Eck einen spanischen Stecken
und haut herum, daß es pfeift und zischt,
dabei hat er leider grad mi derwischt.
Das Hinterzeug hat er mir fest gespannt,
Sackerment! Der Kerl war gut bei Hand!
Aber mich hat der Tanz doch arg scheniert,
drum hab ich gleich meine Sachen gepackt
und bin zum Zölpel hinausmarschiert.
So geht's, wenn ma sich mit der Wissenschaft plagt!
Sieht sich nach allen Seiten um.
Aber was is denn das für a Haus?
Da schaut's wie in einer Apotheken aus.
Lauter Flascheln und Gläser und allerhand Bücher
und Banergerippeln von Menschen und Viecher
und in der Luft a Menge scharfe Gerücher.
Guckt in ein Buch, das vor ihm liegt.
Was steht denn da drin? I hab zwar scho' g'nua
von die Bücher, aber es laßt ma halt doch ka Ruah.
Liest langsam buchstabierend.
[274]
»Receptum mysticum, was maßen Sachen
einer braucht, ein alt Weibl wieder jung zu machen.«
Spricht.
A, da schau her! Das is aber interessant!
Wann i das weiß, bin i der größte Herr im Land.
Alsdann, was braucht ma?
Liest.
»Von 3000 jungen
Damen die strengverschwiegenen Zungen,
dann Weibertreu nur just einen kleinen Bissen,
dann ein halbes Quintel Advokatengewissen.«
Spricht.
Teufel! Teufel!
Liest.
»Das mischet
man dann
Und vertraut's der alten als strengstes Geheimnis an.
Hat dieselbe es dann nur nach drei Tagen
ohne weiterzusagen, bei sich getragen,
dann wirkt es bestimmt – –«
Spricht.
Na, na, mit der Kunst,
da plagert sich aner ganz umasunst.
Wann ma die Raritäten auch überhaupt finden könnt',
so verplappert's an doch die Alte am End'.
Na, das is nix – – –
Buchempfehlung
Das 1900 entstandene Schauspiel zeichnet das Leben der drei Schwestern Olga, Mascha und Irina nach, die nach dem Tode des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Andrej in der russischen Provinz leben. Natascha, die Frau Andrejs, drängt die Schwestern nach und nach aus dem eigenen Hause.
64 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro