8. Szene

[298] König – Orestes.


KÖNIG sehr erregt.

Nun? Willst du sie ihm noch vertrauen?

Der Faust!! Der Schrecken der Gerechten!

Im Bund mit allen bösen Mächten,

der schlimmste Zauberer im Lande,

des Christenreiches dunkle Schande!

O Schwager! Schwager! Welche Schmach!

Man sagt ihm jeden Frevel nach,

sogar, daß er vor kurzen Tagen

den eig'nen Vater totgeschlagen!

Blut raucht von des Verruchten Hand,

schon längst verwirkte er sein Leben.

Gott hat ihn sichtbar mir gesandt,

dem Henker ihn zu übergeben!

ORESTES.

O wollet, Majestät, bedenken:

Hat auch des Narren Wort Gewähr?

KÖNIG.

Ihm darf ich allen Glauben schenken:

Ein Schelm, der hungert, lügt nicht mehr.

Doch während wir hier säumend sprechen,

häuft jener weitere Verbrechen!

Mein Weib ist ihm in's Garn gegangen!

Ich laß ihn gleich von Schergen fangen ...

ORESTES.

Herr Schwager, darf ich Euch beraten,

so meidet überstürzte Taten.

Wenn, was Ihr sagtet, wirklich ist,[298]

scheint mir der beste Weg die List.

Ihr ladet ihn mit heitrem Munde

zur Abendtafel höflich ein,

dort findet sich zur rechten Stunde

ein Dolch – ein Tropfen Gift im Wein.

Den Mann geziemt es uns zu richten,

den Schädling schmählich zu vernichten.

Noch will ich aber keinem trauen,

als dem, was meine Augen schauen.


Sieht hinaus.


Er kommt!

KÖNIG.

Allein? Welch dreister Mut!

ORESTES.

Und nun, Herr Schwager, ruhig Blut!


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 298-299.
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