Achtes Kapitel.

[260] Ein fürchterlicher Lärm im Gasthofe, nebst der Ankunft eines unerwarteten Freundes der Madame Fitz Patrick.


Sophie erzählte jetzt auf Verlangen ihrer Kousine, – nicht was folgt, sondern was in dieser Geschichte vorhergegangen ist. Deshalb wird mich der Leser, wie ich voraussetze, entschuldigen, daß ich's nicht noch einmal wiederhole.

Eine Anmerkung kann ich mich unterdessen nicht entbrechen über ihre Geschichtserzählung zu machen, nämlich, daß sie von Anfang bis Ende derselben des Herrn Jones ebensowenig Erwähnung that, als ob eine solche Person gar nicht in der Welt gewesen wäre. Dies verlang' ich nun ebensowenig zu erklären als zu entschuldigen. In der That, wenn man dies eine Art von künstlicher Zurückhaltung nennen kann, so scheint man solche um so weniger entschuldigen zu können, da die andre Dame so unbefangen und treuherzig redlich bei ihrer Erzählung zu Werke gegangen war. Aber so war's nun einmal.

Eben als Sophie zum Schlusse ihrer Geschichte gelangte, erklang in dem Zimmer, wo die beiden Damen saßen, ein Getöne, dem lauten Schalle nach nicht ungleich dem Geläute von einer Koppel Jagdhunde, die eben aus dem Stalle gelassen werden, noch dem Gekreische nach, dem Gemaue der Katzen, wenn sie ihr Liebesfest feiern, oder dem Gesange der Nachteulen, oder eigentlich gleicher noch (denn welches Tier könnte an solch eine, vox humana reichen) jenen Tönen, welche in gedrängreichen Städten, wohin die Meerbewohner aller Arten, klein und groß, in unermeßlichen Scharen gefangen geführt werden, von den farblosen Lippen, wohl auch von den verschlemmten Nasen dieser Fleet- und Wassernymphen, vor alters benamset Napäen oder Najaden, jetzt in gemeine Sprache verdolmetscht Auster- und Fischweiber, hervorquieken. Denn wenn sie anstatt der Libation an Milch, Honig und Oel, ausgegossen ihren alten Ururgroßmüttern, jetzt die reichlichen Morgenopfer von ihren Geweihten an feurigen Geistern aus Wacholder, Malz- oder Weinträbern empfangen, mit Wohlbehagen genossen haben, und nun eine verwegene Zunge mit unheiliger Frechheit ihre Bescherungen profanieren, das heißt, tadeln sollte: die Auster delikat und lebendig; die pralle Scholle, noch heute erst gebracht; den Stint, frisch eben aus dem Wasser gekommen; die leckre Sture, fett wie eine Quabbe;[260] den Schellfisch, eben erst abgestanden vor kaum einer Stunde; oder irgend einen andern von den mancherlei Schätzen, welche jene Wassergottheiten, die im Meer und Flüssen fischen, zur weitern Verbreitung den Nixen anvertraut haben: so erheben die zürnenden Najaden ihre unsterblichen Stimmen, und der profane Lästerer muß büßen am Gehör die Sünden seiner Zunge. So war das Geläute, welches jetzt von einem der untern Zimmer heraufdrang, und bald begann der Donner, welcher lang in der Ferne gegrummelt hatte, näher und näher zu kommen, bis er die Treppen erstieg und endlich in das Zimmer brach, woselbst sich die Damen befanden. Kurz, alle Metaphern und Figuren hintangesetzt, nachdem die Zofe Honoria in der untern Flur lange heftig gescholten und damit den ganzen Weg die Treppen hinauf nicht aufgehört hatte, trat sie in ausgelassenster Wut zur Herrschaft ins Zimmer und kreischte: »Was thun Ihr Gnaden meinen? Sollten's sich einbilden, daß der ausverschämte Schubbjack, der Wirt vom Hause, so ausverschämt ist und mir gesagt hat, ja! und mir's in mein Angesicht hineinlügen wollte, Ihr Gnaden wären das ruppige, stinkige Mensch (Jenny Cameron heißt er s'e), das mit 'n Prätendenten im Lande 'rumläuft? Ja, ja! der verlogene, der verwegene Schrubber von Kerl hat's Herz, mir zu sagen, Ihr Gnaden hätten's ihm selbst gestanden, daß Sie's wären, aber ich habe den Schuft gekrallt, sein Klotzgesicht soll die Kerben von meinen Nägeln nicht ausheilen. Meine Fröln, sagt' ich, du faulschnauziger Lump, meine Fröln ist kein Bissen für'n Prätendenten. 's ist ene junge Dame von so vornehmen Stand und Familie, und so reich als nur eine in ganz Sommersetshire. Hast du Kerl niemals vom reichen Junker Western gehört, he? 's ist sein einzig Kind, das ist s'e – und erbt alle seine großen Güter. – Meine Fröln sollte solch'n Kerl 'ne schottische Rahabshure nennen. – Meiner Ehr, ich wollte, ich hätt'n mit 'n Punschnapf sein Kalbshirn aus'n Kopf geschlagen!« Die hauptsächlichste Unruhe, welche Sophien bei dieser Gelegenheit ergriff, hatte Honoria selbst dadurch veranlaßt, daß sie in ihrem Eifer entdeckt hatte, wer sie war. Weil unterdessen dieser Irrtum des Wirts seine vorigen Reden erklärte, welche Sophie mißverstanden hatte, so verschaffte ihr dies in jener Rücksicht einige Beruhigung, und im ganzen genommen konnte sie sich des Lächelns nicht enthalten. Hierüber ward Honoria noch ärger aufgebracht und sie schrie. »Nun, meiner Ehr, Ihr Gnaden, ich hätte nicht gedacht, Ihr Gnaden würden dabei was zu lachen gefunden haben. Meiner Ehr, sich von einem so gemeinen Lumpenkerl von Hanswurst eines Prätendenten Metze heißen lassen! Ihr Gnaden können m'r böse sein, ja warum nicht? weil ich Ihre Partei genommen. Freie Dienste haben schlechten Lohn, sagen sie ja; aber meiner[261] Ehr! mag's leiden wer will, 'ch kann's nicht! Meine Fröln, der ich was aufwarte, muß Keimmand vor'ne Metze halten! Ich will's nicht leiden. Das will ich nicht. Ich weiß es, meiner Ehre, Ihr Gnaden sind eine so tugendsame Fröln, als auf Gottes Erdboden mit Füßen treten kann, und 'en jeglichen Schurken will ich d' Augen aus 'n Kopfe kratzen, der so verwegen ist und sich's unterstehen will, 's anders zu sagen! Bis diese Stunde hat noch nicht en Mensch en Unwort auf die Ehre ener Dame zu sagen gewußt, der ich was aufgewartet habe.«

Hinc illae lacrymae; in gemeiner Mundart zu sagen: Honoria hatte gerade so viel Liebe für ihre Gebieterin, wie die meisten Bedienten zu haben pflegen, das heißt – –. Außer diesem aber nötigte sie ihr Stolz, den Charakter der Dame, welcher sie diente, im Ansehen zu erhalten, denn sie meinte, ihr eigner sei mit demselben sehr genau verwebt. Nach eben dem Verhältnis, wie der Charakter ihrer Gebieterin, wäre auch der ihrige, wie sie sich einbildete, erhaben; und im Gegenteile, dachte sie, könnte der eine ohne den andern nicht heruntergesetzt werden.

Bei diesem Vorfall, lieber Leser, muß ich einen Augenblick still stehen, um dir ein Geschichtchen zu erzählen. Als die berühmte Lorchen Gwynn eines Tages vor einem Hause, wo sie einen kurzen Besuch abgelegt hatte, in ihre Kutsche stieg, sah sie eine Menge Johann Hagel versammelt und ihren Bedienten voller Blut und Gassenkot. Als der Bursche von seiner Herrschaft befragt ward, was die Ursache wäre, warum man ihn so zugerichtet hätte, antwortete er: »Ich habe mich da mit einem unverschämten Schurken herumgeschlagen, Madame, der Sie vor eine Hure schalt.« – »Er ist ein Pinsel,« versetzte Madame Gwynn, »wenn er so will, so muß er sich alle Tage seines ganzen Lebens schlagen. Herr Geck! die ganze Welt weiß es ja.« – »Weiß sie das?« sagte der Bursche zwischen den Zähnen murmelnd, nachdem er die Kutschthüre zugemacht hatte. »Meinetwegen, aber sie sollen mir doch nicht sagen, daß ich bei einer Hure diene, ich!«

Also schien Honorias Zorn natürlich genug, wenn man solchen auf keine andre Art erklären könnte; aber es war wirklich noch eine andre Ursache ihres Zornes im Rückhalt. Um solche anschaulich zu machen, müssen wir den Leser bitten, sich eines Umstandes zu erinnern, dessen in dem nachstehenden Gleichnisse gedacht ist. Es gibt wirklich gewisse Flüssigkeiten, die, wenn sie in unsern Zorn oder ins Feuer gegossen werden, gerade die entgegenstehende Wirkung des Wassers hervorbringen, weil sie die Flamme vielmehr anfachen und schüren als sie löschen. Unter diesen ist das liebliche Getränk, genannt Punsch, eine. Deshalb war es nicht ohne Ursache, daß der[262] gelehrte Doktor Chenny zu sagen pflegte, Punsch trinken hieße flüssiges Feuer in die Kehle schütten.

Nun hatte Jungfer Honoria unglücklicherweise so viel von diesem flüssigen Feuer in ihre Gurgel gegossen, daß davon der Qualm anfing in ihr Pericranium zu steigen und die Augen der Vernunft zu benebeln, welche daselbst, wie man sagt, ihr Hoflager halten soll, unterdessen daß das Feuer selbst aus dem Magen sehr leicht nach dem Herzen schlug und dort die edle Leidenschaft des Stolzes in Flammen setzte, so daß wir uns, im ganzen genommen, über die heftige Wut der Aufwartejungfer eben nicht weiter wundern werden, ob wir gleich dem ersten Anblick nach gestehen müssen, die Ursache scheine mit der Wirkung in keinem Verhältnis zu stehen.

Sophie und ihre Kousine thaten beide alles, was in ihren Kräften stand, um diese Flamme zu löschen, welche über das ganze Haus so laut gebraust hatte. Endlich und zuletzt glückte es ihnen, oder, um die Metapher noch um einen Schritt weiterzuführen, nachdem das Feuer allen brennbaren Stoff verzehrt hatte, welcher in der Sprache anzutreffen ist, nämlich jeden Ausdruck des Schimpfens und Schmähens, so verlöschte es endlich von selbst.

Wenn aber nun gleich die Ruhe im besten Stockwerke wieder hergestellt worden, so war sie's damit noch nicht auf der untersten Flur, woselbst die Wirtin zum heftigsten aufgebracht über den Schaden, welchen die Schönheit ihres Ehemannes durch die Hand-Eggen der Jungfer Honoria erlitten hatte, aufs lauteste um Rache und Gerechtigkeit schrie. Was den armen Mann anbetraf, welcher vorzüglich in dem Handgemenge gelitten hatte, so war er vollkommen ruhig. Vielleicht hatte das Blut, welches er verloren, seinen Zorn abgekühlt, denn seine Widersacherin hatte nicht bloß ihre Nägel durch seine Wangen gezogen, sondern auch mit ihrer Faust seine Nase bearbeitet, welche die empfangenen Streiche mit mildiglich fließenden blutigen Thränen beklagte. Wir können hierzu noch die Betrachtungen über seinen Irrtum zählen. In der That aber brachte nichts so nachdrücklich seinen Groll zum Stillschweigen, als die Art und Weise, auf welche er jetzt seinen Irrtum inne ward. Denn das Betragen der Zofe hatte ihn nur noch in seiner Meinung bestärkt; allein er ward um diese Zeit von einer Person von hohem Ansehen, die mit einem großen Gefolge angelangt war, versichert, eine von den Damen sei von hohem Stand und ihre genaue Bekannte.

Auf Befehl dieser Person ging der Gastwirt jetzt hinauf und berichtete unsern schönen Reisenden, da unten sei ein vornehmer Herr von Stande, welcher ihnen die Ehre erzeigen und ihnen einen Besuch abstatten wollte. Sophie war bei dieser Botschaft blaß und zitterte heftig, obgleich der Leser schließen wird, sie sei ungeachtet[263] der tölpischen Ausrichtung des Wirtes zu höflich gewesen, um von ihrem Vater zu kommen. Allein die Furcht hat den gewöhnlichen Fehler eines Unterrichters und ist sehr fähig, aus unbedeutenden Umständen einen übereilten Schluß zu ziehen, ohne die beiderseitigen Zeugen zu verhören.

Mehr also um des Lesers Neugierde, als seine Besorgnis zu befriedigen, schreiten wir dazu, ihm Nachricht zu geben, daß noch den Abend vorher sehr spät ein irländischer Peer auf seinem Wege nach London im Wirtshause angelangt war. Diese Standesperson war bei dem vorerzählten Sturme von ihrem Abendessen aufgestanden, hatte bei dieser Gelegenheit die Aufwärterin der Madame Fitz Patrick zu sehen bekommen, und mit wenigen Worten die Nachricht von ihr eingezogen, daß ihre Dame, mit welcher er sehr genau bekannt war, sich oben im Hause befände. Diese Nachricht hatte er nicht so bald erhalten, als er sich an den Hauswirt wendete, ihn zufrieden stellte und ihn mit einem Kompliment hinaufschickte, welches viel höflicher lautete als das, was der Wirt wirklich ausrichtete.

Vielleicht wundert man sich darüber, daß die Kammerjungfer nicht selbst gewählt wurde, bei dieser Gelegenheit das Geschäft auszurichten, aber mit Leidwesen müssen wir's sagen, sie befand sich jetzt weder zu diesem noch irgend einem andern Dienste im stande. Der Rum (denn so beliebte es dem Wirte, die Destillation aus Malz zu nennen) hatte die Gelegenheit der Ermüdung des armen Mädchens von seiner Reise erschlichen und in ihren edlen Fähigkeiten und Kräften zu einer Zeit, da solche dem Angriff nicht zu wider stehen vermochten, eine jämmerliche Verheerung angerichtet.

Diesen tragischen Auftritt wollen wir nicht der Länge nach beschreiben, allein nach der historischen Wahrheitsliebe, zu welcher wir uns bekennen, hielten wir uns für verbunden, eines Umstandes im Vorbeigehen zu erwähnen, den wir sonst gern ausgelassen hätten. Manche Geschichtsschreiber überlassen öfters dem Leser, in Ermangelung dieser Wahrheitsliebe oder des gehörigen Fleißes, im nichts Schlimmeres zu sagen, dergleichen kleine Umstände aus der Dunkelheit hervorzusuchen, und versetzen sie dadurch zuweilen in große Verwirrung und Verlegenheit.

Sophie ward ihrer grundlosen Furcht durch den Eintritt des irländischen Herrn Reichsgrafen sehr bald entledigt: dieser war nicht nur von Madame Fitz Patrick ein sehr guter Bekannter, sondern auch wirklich ein sehr vertrauter Freund. Der Wahrheit zu Ehren müssen wir sagen, daß es vermittelst seines Beistandes war, daß sie in den Stand gesetzt worden, den Händen ihres Gemahls zu entkommen; denn der Herr Graf folgte eben den tapfern Gesinnungen jener berühmten Ritter, wovon wir in den Heldenbüchern[264] lesen, und hatte schon manche bedrückte und bedrängte Nymphe aus ihren Trübsalen erlöst. Er war wirklich ein eben so bittrer Feind der wilden Oberherrschaft, welche Ehemänner und Väter nur zu oft über die jungen liebenswürdigen Personen des schönen Geschlechts ausüben, als nur jemals ein irrender Ritter es von der barbarischen Gewalt der Riesen und Zauberer sein konnte: ja, die Wahrheit zu sagen, ich habe oft geargwohnt, daß eben diese Riesen und Zauberer, deren es in allen Romanen bei ganzen Haufen gibt, eigentlich nichts andres gewesen sein mögen, als die damaligen Ehemänner; und der Ehestand selbst war vielleicht das bezauberte Schloß, in welchem der Sage nach die Nymphen gefangen gehalten wurden.

Dieser hochadelige Herr hatte ein Gut in der Nachbarschaft des Herrn Fitz Patrick und war schon seit einiger Zeit mit der Dame bekannt gewesen. Sobald er also von ihrer Einsperrung hörte, war er allen Ernstes darauf bedacht, ihre Freiheit zu bewirken. Er beschaffte solche auch sehr bald, nicht durch Bestürmung des Kastells, zufolge des Beispiels der alten Helden, sondern durch Bestechung des Gouverneurs, nach Art und Brauch der neuern Art Krieg zu führen, bei welcher List höher geachtet wird als Tapferkeit, und Gold unwiderstehlicher befunden wird, als Blei oder Stahl.

Weil aber die Dame diesen Umstand nicht für wesentlich genug hielt, um solchen ihrer Freundin zu erzählen, so mochten wir ihn auch damals unserm Leser nicht mitteilen. Wir wollten ihn lieber ein Weilchen bei dem Gedanken lassen, daß sie das Geld, womit sie ihren Kerkermeister bestochen, gefunden, gemünzt oder sonst auf eine außerordentliche, vielleicht gar übernatürliche Weise überkommen habe, als die Erzählung dadurch unterbrechen, daß wir ihm von einer Sache einen Wink geben, die ihr zu unwürdig schien, um sie in ihre Geschichte einfließen zu lassen.

Nach einem kurzen Gespräche konnte sich der Peer nicht enthalten, eine kleine Verwunderung zu äußern, wie er die Dame an diesem Ort anträfe, auch sich ebensowenig entbrechen, ihr zu sagen, er habe geglaubt, sie wäre nach Bath gegangen. Madame Fitz Patrick antwortete sehr freimütig, sie wäre an ihrem Vorsatze durch die Ankunft einer Person, welche sie nicht zu nennen brauchte, verhindert worden: »Kurz,« sagte sie, »mein Ehemann holte mich ein; denn wozu sollt' ich mich zieren, eine Sache zu verhehlen, welche die Welt bereits nur allzugut weiß? Ich hatte das Glück, ihm auf eine höchst wundersame Weise zu entwischen, und bin nun auf dem Wege nach London mit dieser jungen Dame, welche meine nahe Verwandte ist, und die einem ebenso großen Tyrannen, als der meinige ist, entflieht.«

Seine hochgräfliche Gnaden, welche hieraus schlossen, dieser[265] Tyrann müsse gleichfalls ein Ehemann sein, hielten eine Standrede voller Komplimente an beide Damen, und voller Schmähungen auf sein eigenes Geschlecht; dabei unterließ er auch nicht, einige Seitenhiebe sowohl auf die Einsetzung des Ehestandes selbst, als auf die ungerechte Gewalt fallen zu lassen, welche solche den Männern über die verständigere und verdienstbegabtere Hälfte des Menschengeschlechts erteilt. Er endete seine herrlich gesetzte Rede mit dem Anerbieten seiner Protektion nebst seiner sechsspännigen Kutsche, welches beides ohne Bedenken von Madame Fitz Patrick, und endlich auch auf ihr Zureden von Sophien angenommen wurde.

Nachdem die Sachen solchergestalt berichtigt waren, beurlaubten sich Seine hochgräfliche Gnaden, und die Damen begaben sich zu Bett, woselbst Madame Fitz Patrick ihre Kousine mit vielen hohen Lobsprüchen über den Charakter dieses hochadeligen Herrn unterhielt und sich besonders über seine große Zärtlichkeit gegen seine Gemahlin verbreitete, da sie unter anderm sagte, sie glaubte, er wäre fast der einzige Mann seines hohen Standes, welcher beständig seinem Ehebette völlig treu gewesen. »In der That,« fügte sie hinzu, »meine teure Sophie, unter Männern von höherm Adel ist dies eine sehr seltene Tugend. Erwarten Sie solche ja nicht, wenn Sie sich verheiraten, denn glauben Sie mir's, wenn Sie sich darauf Rechnung machen, so werden Sie gewiß betrogen!«

Ein stiller Seufzer entstahl sich Sophiens Brust bei diesen Worten, welche vielleicht das ihrige beitrugen, einen Traum von eben nicht angenehmer Gattung zu bilden; weil sie aber keinem Menschen diesen Traum entdeckt hat, so kann auch der Leser nicht erwarten, ihn hier erzählt zu finden.

Quelle:
Fielding, Henry: Tom Jones oder die Geschichte eines Findelkindes. Stuttgart [1883], Band 2, S. 260-266.
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