Zweiter Brief
Julie an Wilhelmine

[7] So ernst, meine Wilhelmine? Du könntest mich bange machen. – Großer Gott! sollte ich mich täuschen? – Sollte alles vergeblich seyn? –

Aber Geliebte! jeder Mensch hat ja das Bedürfniß, mit sich selbst einig zu werden. Dieser unglückliche Mann allein sollte es nicht haben? – Ach glaube mir, meine Einzige![7] viele Menschen würden gut seyn, wenn es ihnen das Schicksal erlaubte.

Laß uns gestehen, dies war bis jetzt Oliviers Fall. Mit dem französischen Leichtsinne gebohren, von seinen Ältern verzärtelt, von den Weibern wechselweise gemißbraucht und vergöttert, durch seine unersättliche Begierde nach Genuß ins tiefste Elend gestürzt, nun bey dem gänzlichen Mangel an Ergebung gezwungen alle Mittel zum Emporkommen wieder zu gebrauchen. – Sage, wie konnte es anders seyn? –[8]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 1, Posen und Leipzig 1802, S. 7-9.
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