Vier und vierzigster Brief
Olivier an Reinhold

[154] Heute stehe ich mit dem überlegten Vorsatze auf, sie um eine entscheidende Antwort zu bitten. Ich trete in die Allee, und halte noch einmal jedes Wider und Für in meinem Kopfe zusammen; als ein wunderschöner junger[154] Mann mich anredet. Ich sehe ihn an, und schreye laut auf: »Antonelli!« – »Sein Sohn,« – antwortet er, und liegt in meinen Armen.

Als ich ihn so an meine Brust drücke, und mich nicht satt an ihm sehen und küssen kann; zieht er ein Schreiben hervor. Es war von der Mutter. Wie weich ich jetzt bin! – ich konnt' es nicht auslesen. – Du weißt, der Vater fiel an meiner Seite. – Das Mutterherz hatte gesprochen, und – wie gesagt – ich konnt' es nicht auslesen.

Ich gab ihm die Hand, und nannte ihn meinen Sohn. Das Wort war heraus. Einige Minuten darauf hätte ich es nicht sagen[155] können. Julie trat in die Allee und ein Gewühl von schmerzhaften Ahnungen umpfieng meine Seele. –

Der junge Mensch blieb staunend und sprachlos vor ihr stehen. Ich mußte ihn an seinen Hut erinnern. – Ach es wird mir zu viel, ich unterliege.[156]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 1, Posen und Leipzig 1802, S. 154-157.
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