Vier und Sechzigster Brief
Reinhold an Wilhelmine

[244] Fräulein Julie wird in diesen Tagen einen Brief von dem Adjutanten des Obersten erhalten, oder schon erhalten haben. Sie verstehen mich – ja bestes Fräulein! ich wage es für ihn zu bitten. Können Sie mich tadeln? seit meinem achtzehnten Jahre ist es mein Freund. Gewiß Sie fühlen, was das heißt – fühlen es um so mehr; wenn Sie bedenken, daß es mir meine Geschäfte unmöglich machen,[244] zu ihm zu eilen, und seine Pflege zu übernehmen.

Es sind doch nur Fremde, die ihn umgeben. Wie könnten sie, bey dem besten Willen, die Theilnahme eines Freundes ersetzen! Dies kann nur ein Wesen – seine Julie. – O mein Fräulein, rauben Sie ihm, rauben Sie mir nicht diesen Trost.

Gewiß Sie begreifen eine Männerfreundschaft. Wenn Sie Ihre Empfindung zum Maasstabe nehmen; so habe ich sicher keine Fehlbitte gethan.[245]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 1, Posen und Leipzig 1802, S. 244-246.
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